Ein persönlicher Rückblick auf unsere neue Podcastfolge

Heute hatte ich eine Premiere im Podcast: Wir waren zu dritt am Mikrofon. In Trier saß Arsen, in Hamburg Johannes – und ich mittendrin. Und wir sprachen über ein Thema, das mich seit Monaten begleitet: Jobsuche und Beschäftigungschancen für Menschen über 50.

Was mich daran reizt? Ganz einfach: Ich sehe da draußen so viele fähige, motivierte Menschen, die arbeiten wollen – aber das System lässt sie oft nicht so recht. Gleichzeitig klagen Unternehmen über Fachkräftemangel. Irgendwas passt da nicht zusammen. Und genau das wollte ich verstehen.

Was Johannes aus dem Inneren der Jobwelt erzählt hat

Johannes arbeitet bei New Work SE (also Xing – früher OpenBC) und betreut dort Mittelständler beim Recruiting. Er weiß ziemlich genau, wie Unternehmen ticken – und wen sie suchen.

Seine erste klare Aussage war ernüchternd und ehrlich:
„Erfahren heißt für viele Unternehmen eher Mitte 40 – nicht über 50.“

Gleichzeitig zeigen die Daten von Xing, dass gerade Menschen ab 50 enorme Vorteile mitbringen: Stabilität, Loyalität, Erfahrung, Verlässlichkeit und Lust, sich einzubringen. Also all das, was Unternehmen angeblich dringend suchen. Und doch passt das Bild nicht zur Realität vieler Bewerberinnen und Bewerber.

Hinzu kommt der demografische Shift: Bis 2030 werden rund 5 Millionen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen. Eine Lücke, die kein Tool und keine KI kurzfristig schließen kann.

Vielen Dank für das Interesse an meiner Arbeit. Wenn Du diese unterstützen möchtest, dann erwerbe doch eines meiner Bücher.

Gibt es Altersdiskriminierung?

Wir haben uns dieser Frage intensiv genähert – ohne einfache Antwort.
Und doch kristallisierte sich etwas heraus:

Das Problem ist oft weniger Altersdiskriminierung – sondern Kommunikation.

Jüngere Recruiter verstehen nicht immer, wie Menschen über 50 kommunizieren und was sie brauchen.
Ältere Bewerber deuten moderne Stellenanzeigen oft völlig anders als jüngere HR-Teams.

Johannes brachte es mehrfach auf den Punkt:
Erwartungen treffen aufeinander – und führen zu Missverständnissen.

Beispiele:

  • „junges, dynamisches Team“ wirkt für Ü50 schnell wie „nicht für dich“.
  • „erfahren“ bedeutet für viele Unternehmen: etwa 45.
  • Für Bewerber heißt es: 50+.
  • Unternehmen glauben, ältere Bewerber suchen maximale Sicherheit.
  • Viele Ü50 suchen aber vor allem Sinn, Wertschätzung, ein gutes Team – nicht Bevormundung.

Eine Xing-Studie zeigt: Ein Drittel der Menschen über 50 fühlt sich bereits einmal altersdiskriminiert.
Gefühl entsteht nicht selten aus fehlender Klarheit, nicht aus böser Absicht.

Der größte Aha-Moment

Für mich war ein Satz von Johannes besonders stark:

„Eine Stellenanzeige sollte sich anhören wie eine Einladung zum Gespräch – nicht wie ein Werbespot.“

Viele Unternehmen schreiben heute Anzeigen, die hip wirken sollen, aber niemandem nutzen.
Sie wirken austauschbar, buzzword-lastig – und schaffen am Ende genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollen: Sie schließen aus, statt einzuladen.

Und wenn niemand im Unternehmen klar kommuniziert, welchen Menschen man wirklich sucht, entsteht ein Filter, der weder den Bewerbern noch den Fachabteilungen hilft.

KI, Bewerbermanagement & Realität

Natürlich haben wir auch über KI gesprochen – und darüber, ob ältere Bewerber durch Algorithmen schneller ausgesiebt werden.
Die nüchterne Wahrheit:

Viele Unternehmen arbeiten technisch noch gar nicht so weit.

Bewerbungen landen oft in Outlook-Postfächern und Excel-Listen.
Das Problem ist nicht KI – es ist Überlastung.

Anekdote aus dem Bewerberalltag: Arsen erzählte von einer HR-Frau, die zwischen Freitag und Montag 102 Bewerbungen erhalten hatte. Klar, dass niemand da individuell reagieren kann.

Man versteht sofort, warum automatisierte Antworten nötig sind. Aber sie ersetzen eben nicht die persönliche Ebene, die sich gerade erfahrene Bewerber wünschen.

Was mir persönlich hängen geblieben ist

  • Zuhören schlägt jedes Tool.
  • Ü50 ist kein Kompetenzproblem, sondern ein Wahrnehmungsthema.
  • Stellenanzeigen müssen ehrlicher werden.
  • Recruiter sind oft überlastet – nicht ignorant.
  • Unternehmen wissen manchmal selbst nicht, wen sie suchen.
  • Kommunikation ist das unterschätzte Nadelöhr im gesamten Prozess.

Und ja:
Es braucht mehr Mut. Von beiden Seiten.

Mein Fazit

Diese Podcastfolge hat mir Mut gemacht.
Nicht nur für mich – sondern für all jene, die über 50 sind und sich fragen, ob sie im Arbeitsmarkt noch gebraucht werden.

Meine klare Antwort ist:
Ja, und zwar dringender denn je.

Aber wir müssen sichtbarer werden, selbstbewusster, klarer.
Wir müssen sagen, was wir wollen und was wir können.
Und Unternehmen müssen lernen, Erfahrung nicht als Risiko, sondern als Kapital zu sehen.

Vielleicht ist das die wichtigste Botschaft dieser Folge.

(Visited 9 times, 3 visits today)

Vielen Dank, dass Du diesen Blogbeitrag gelesen hast. Wenn Du meine Arbeit unterstützen möchtest, dann kannst Du dies tun, indem Du eines meiner Bücher erwirbst. Du findest meine Bücher hier.