Ein Mann sitzt allein auf einer kleinen Insel im Meer, schaut durch ein Fernglas mit der Aufschrift „Ehemalige Kontakte“ und wirkt frustriert. Neben ihm steht ein Schild mit „Upgrade to Premium!“. Über ihm fliegt ein geflügelter Mann im Anzug mit Sonnenbrille, der durch ein Megafon ruft: „Für Sichtbarkeit bitte hier bezahlen!“ – eine satirische Darstellung von Social-Media-Algorithmen und eingeschränkter Reichweite.

Heute bin ich über einen Post von Jens Mahnke auf LinkedIn gestolpert und dachte mir: „Ach Mensch, den Jens habe ich ja eine ganze Weile gar nicht mehr gesehen.“ Dann wurde mir klar: Das ist völlig normal geworden. Nicht, weil Jens weniger postet, sondern weil LinkedIn offenbar entschieden hat, dass ich ihn nicht mehr zu sehen bekomme.

Bringt diese Beobachtung es nicht auf den Punkt? Wir werden nicht geghostet, sondern der Algorithmus hat einfach beschlossen, dass wir bezahlen sollen. Ghosting als Businessmodell – das ist eigentlich eine ziemlich treffende Beschreibung dessen, was bei LinkedIn und Instagram längst Realität geworden ist.

Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich das bestätigen: Ich scrolle durch LinkedIn und sehe immer wieder dieselben zehn Gesichter. Menschen, die früher regelmäßig in meinem Feed auftauchten, sind einfach verschwunden. Nicht, weil sie aufgehört haben zu posten, sondern weil der Algorithmus entschieden hat, dass ich sie ohne Premium-Account nicht mehr zu sehen bekomme.

Die Mechanik des algorithmierten Ghostings

Was LinkedIn und Instagram machen, ist im Grunde eine digitale Erpressung mit einem charmanten Lächeln. Der Algorithmus wird bewusst so programmiert, dass er organische Reichweite künstlich verknappt. Früher hast du alle Inhalte der Menschen gesehen, denen du folgst – heute bekommst du maximal zehn Prozent zu sehen, wenn du Glück hast.

Die Plattformen nennen das „Relevanz“ oder „personalisierte Inhalte“, aber in Wahrheit ist es schlicht Geschäftemacherei. Der Beleg: Die Werbung nimmt unerträglich zu. Sie schaffen künstlich ein Problem, um dann die Lösung zu verkaufen – wie ein Autoverkäufer, der heimlich deine Reifen plattsticht und dir dann zufällig neue Winterreifen anbietet.

Warum das so unfair ist

Es ist deshalb besonders perfide, weil die Plattformen auf sozialen Beziehungen aufbauen. Du folgst jemandem, weil dich seine Inhalte interessieren oder weil ihr geschäftlich verbunden seid. Diese bewusste Entscheidung wird dann vom Algorithmus einfach ignoriert – es sei denn, Geld fließt.

Das ist so, als würde die Post entscheiden, dass du nur noch jeden zehnten Brief von deinen Freunden bekommst – außer sie zahlen extra für „Premium-Zustellung“. Bei physischer Post wäre das ein Skandal, bei digitalen Plattformen nennen wir es „Algorithmus-Optimierung“.

Meine Beobachtung zum Schreibdruck

Besonders perfide wird es, wenn dieser künstliche Reichweitenverlust Menschen dazu bringt, immer verzweifelter zu posten. Ich sehe das bei mir selbst: Man postet häufiger, lauter, schriller – alles nur, um dem Algorithmus zu entgehen. Genau das, was ich in meinen eigenen Texten als „Schreibdruck“ beschreibe.

Die Plattformen schaffen also nicht nur ein Bezahlmodell, sondern auch eine Spirale der Verzweiflung. Menschen posten nicht mehr, weil sie etwas zu sagen haben, sondern weil sie hoffen, dass der Algorithmus sie diesmal gnädig behandelt.

Es ist ein Business geworden, das auf der systematischen Frustration seiner Nutzer aufbaut. Und das Zynische daran: Es funktioniert.

(Visited 1 times, 1 visits today)