Es gibt ein Phänomen in den europäischen Großstädten, das sich wie folgt beschreiben lässt:

In guter Citylage eröffnet ein Modekaufhaus eine Filiale. Sobald dies geschieht, stürmen Teenager und junge Frauen die Läden. Sie nehmen mit, was der Laden hergibt, und am Ende des kurzen, aber offenbar sehr befriedigenden Trips sitzen sie bei McDonald’s und betrachten ihre Beute. Ähnlich wie Wikinger und Vandalen wird mitgeschleppt, was nicht niet- und nagelfest ist. Erst nach der Rückkehr und Verwüstung des „gegnerischen Lagers“ wird der effektive Output bestaunt. Geld spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, denn junge Frauen und Kinder aus asiatischen Ländern haben die Beuteklamotten möglichst billig zusammengenäht. Da ist es nicht so entscheidend, ob alles Sinn ergibt, was mitgenommen wurde. Auf der anderen Seite ist Geld – in seiner nicht unendlichen Verfügbarkeit – der Schlüssel zum Erfolg innerhalb der Zielgruppe.

Möglichst günstige Mode zu produzieren und zentral zu verkaufen, ist einer der Erfolgsfaktoren der irischen Kaufhauskette Primark. In ganz Europa geht die zentrale Idee von billigen Klamotten auf. Jede größere Stadt wird von braunen, ausgebeulten Tüten heimgesucht. Am Ende dieser Tüten befinden sich meist junge Hände, die sich um die Tragehenkel krallen und darauf achten, ihre Tüte nicht loszulassen oder aus den Augen zu verlieren.

„Beutezüge“ nennen die Jägerinnen ihre Einkaufsraubzüge selbst. Dabei geht es eigentlich um die Befriedigung eines typischen weiblichen Instinkts – eines, dem schon Generationen von Frauen vor der Primark-Ära nachgekommen sind. Es geht um das „gut aussehen wollen“ und darum, sich durch Kleidung und Styling von den Mitbewerberinnen abzuheben. Junge Mädchen und Frauen nutzen die Möglichkeit, für möglichst wenig Geld möglichst viel Stoff zu bekommen. Ein altes ökonomisches Prinzip – in diesem Fall das Minimalprinzip. Auf der Seite der Befriedigung scheint es am Ende einen überwältigenden „Gehirnorgasmus“ zu geben, denn anders ist es kaum zu erklären, dass die modebewussten Jungeinkäuferinnen anschließend ihre Figur mit Fast Food ruinieren.

Auch Wikinger und Vandalen waren nicht immer wählerisch bei ihren Gelagen, daher ist das Verhalten der „Primark-Wikingerinnen“ durchaus nachvollziehbar.

Doch am Ende nützt der ganze Beutezug nichts, wenn die Mädels mit den unschönen Tüten durch die City laufen – denn die Tüte macht hässlich! Audrey Hepburn hat auch nie jemand mit einer billigen Einkaufstüte gesehen. Sie wusste, dass auch das Accessoire, mit dem die Beute fortgebracht wird, eine tragende Rolle spielt.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich junge Frauen günstig mit Mode eindecken – abgesehen von den moralischen und ethischen Gründen, die zu den niedrigen Preisen führen. Diese können allerdings vernachlässigt werden, da auch hochpreisige Anbieter ihre Werkbänke in Asien haben. Viel entscheidender ist die Frage, warum Wunsch und Wirklichkeit so stark auseinanderdriften. Modebewusst und stylisch wird zum Rudelshoppen gehechtet, doch am Ende verpassen es die Damen darauf zu achten, wie sie tatsächlich wirken. Mit vier prall gefüllten Primark-Tüten und einem Burger in der Hand sieht selbst die gestylteste Frau unvorteilhaft aus. Da ist es egal, was in der Tüte steckt.

Die Tüte ist das Problem – und sie offenbart noch ein weiteres: zu wenig Geld für wirklich hochwertige Kleidung.

Mein Tipp: Lasst die Tüten weg, besorgt euch vernünftige Shoppingbags und ihr wirkt sofort besser. Noch mutiger wäre es allerdings, das Geld nicht in Masse, sondern in Klasse zu investieren – für den wirklich großen Auftritt.

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