
Dieser Text hat seinen Ursprung im Jahr 2015. Zehn Jahre später darf ich mal wieder einen von Buhl trinken und ich erinnerte mich an die beiden alten Texte. Ich suche sie im Archiv und fasse sie zu einem neuen Text zusammen. Warum? Weil mein Schlussplädoyer zum Thema auch zehn Jahre später passt.
Wenn der “beste Rieslingsekt Deutschlands” polarisiert
Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen am Frühstückstisch. Die Sektpertin vertiefte sich in ihr Buch, während ich zwischen Brötchen schmieren und dem Blättern in der Welt am Sonntag wenig neue Erkenntnisse gewann. Bis ich auf ein Foto mit gutgelaunten Menschen stieß und einen Artikel von Manfred Klimek über einen Sekt aus dem Hause Reichsrat von Buhl entdeckte. Es ging um nichts Geringeres als den “besten Rieslingsekt Deutschlands”.
Rieslingsekt schlägt Nick Hornby – was für ein Duell am Frühstückstisch! Langsam gewann ich die Aufmerksamkeit der Sektpertin, als ich aus dem Artikel vorlas.
Der Hype beginnt
Manfred Klimek lobte den Sekt aus dem Hause Reichsrat von Buhl in höchsten Tönen. Wie so oft würde es nur wenige Tage dauern, bis die Internet-Wein-Szene den Sekt hypen würde. Was der Großmeister des Weinjournalismus zu Druckpapier gebracht hatte, würde huldvoll bestätigt werden.
Bei Facebook wurden die von Buhl-Flaschen einer Reliquie gleich den Followern präsentiert – immer wieder Lob. Der Lob über den Sekt überwog die wenigen kritischeren Töne, die über den Sekt aus der Pfalz und seine Macher zu hören waren.
Mathieu Kauffmann, der viele Jahre als Önologe das Champagnerhaus Bollinger leitete, hatte mit der Unterstützung von Jana Niederberger (Besitzerin des Weinguts Reichsrat von Buhl) einen ziemlich guten Rieslingsekt produziert. Exakt – da stand: “einen ziemlich guten Rieslingsekt” und nicht den besten Rieslingsekt, den wir je getrunken hätten.
Über den Sekt hieß es im Artikel aus der Welt:
“Der Brut von Buhl riecht und schmeckt nach gerade reif gewordenen Birnen und jungen Aprikosen und verzichtet erfreulicherweise auf jene kleine Note Bitterkeit, die viele deutsche Rieslingsekte als eine Art stilistisches Merkmal prägen. Die Perlage ähnelt einem großen Champagner, sie unterstützt den Wein, bedrängt ihn nicht und will nicht um jeden Preis beleben.”
Die erste Verkostung – Ein böses Erwachen
Von den 10.000-15.000 Flaschen, die zum Weihnachtsgeschäft für 14 Euro in die Weinhandlungen und den Onlineshop kamen, besorgten wir uns drei Flaschen. Nach so viel Lob wollten auch wir wissen, was sich da wohl in unsere Gläser ergießen würde.
Dem Anlass angemessen holten wir die guten Gläser aus dem Schrank. Der erste Eindruck bestätigte die Beschreibung aus der Welt: Er perlte ziemlich gut. Eine solche Perlage hatte ich allerdings auch schon bei Sekten von Raumland, Vaux oder beim Zero Dosage vom Rebenhof an der Mosel erlebt. Auch Nachbarwinzer aus der Pfalz verstehen etwas vom Sekthandwerk, wobei Raumland mit seiner Expertise als Versekter oft mit im Spiel ist.
Farblich kam er an Champagner heran. Perlage und Farbe sind aber nicht alles im Leben – der Sekt muss auch schmecken.
In der Nase etwas Frucht, getrocknete Aprikose und etwas Birne. Dann der erste Schluck – und dann passierte das, womit wir beide nicht gerechnet hatten.
“Kalter Grappa mit Sprudel”
In den Mund legte sich eine unglaubliche Säure, eine Säure, die mir im ersten Moment den Gaumen unangenehm zusammenzog. Hier entdeckte ich nichts Angenehmes. Es war auch keine mineralische Rieslingsäure, wie ich sie schon oft bei guten Winzersekten aus dem Rheingau erlebt hatte. Es war der Geschmack von kaltem Grappa mit Kohlensäure, der sich durch meinen Mund mäanderte und auf der Zunge eine erste kleine Ratlosigkeit zurückließ.
Verglichen mit einem Champagner war dieser Rieslingsekt fast schon brutal in seiner Zeichnung. Wir nahmen einen zweiten Schluck, tranken etwas stilles Wasser dazu, und der erste Eindruck blieb: ein interessanter Sekt mit einem sehr eigenen Charakter. Der beste Rieslingsekt der Welt war er für uns nicht. Dazu kam, dass er eben doch die Bitterkeit mitbrachte, die manche Rieslingsekte haben – es war wohl diese Bitterkeit, die wir als Säure empfunden hatten.
Eine dritte Chance zum Sushi
Da stand sie nun, die Flasche Reichsrat von Buhl. Wir entschlossen uns, ihm eine dritte Chance zu geben und nahmen ihn als Begleiter zu rohem Fisch. Und siehe da – geschmacklich wurde er für uns besser. Die Fruchtnoten gaben dem Sushi eine erfreuliche frische und fruchtige Blume mit, die Bitterkeit wurde vom Reis absorbiert, und mit einem schönen Stück Aal wurde aus der Säure eine Geschmackskombination, die den Fisch und den Sekt zu einer spannenden Melange aus Meer und Boden verschmelzen ließ.
Die Facebook-Schlacht
Unter dem Titel “Kalter Grappa mit Sprudel” veröffentlichte ich meinen ersten Eindruck. Was folgte, war eine sehr spannende und emotional geführte Diskussion auf Facebook. Der beste deutsche Rieslingsekt könne nicht so schlecht schmecken, wie ich es in meiner Headline zum Ausdruck gebracht hatte, so die überwiegende Meinung der Wein-/Sektexperten. Er würde nie wie kalter Grappa mit Sprudel schmecken.
Einige stimmten mir zu, dass dieser Sekt sicherlich gut sei, aber weit von dem entfernt, was vorab berichtet worden war. Ich trank eine dritte Flasche aus demselben Einkauf und blieb dabei: Ich hatte eine andere Meinung als die mittrinkenden Freunde in einer der größten Weingruppen auf Facebook.
Zweite Chance in der Cordobar
Wer in Berlin einen Abend verbringt und wem das Thema Wein am Herzen liegt, der sollte einen Stopp in der Cordobar einlegen, so heißt es in Weinkreisen. Gesagt und getan! Ich ergatterte einen Platz am Tresen und kam mit Willi ins Gespräch. Irgendwann kamen wir auf den Reichsrat von Buhl zu sprechen. Ich schwor mir, noch einen Versuch zu unternehmen – einmal würde ich mir noch einen Schluck des Reichsratssekt gönnen.
Eine Flasche wurde geöffnet, er sprudelte in die Gläser. Meine Nachbarin am Tresen, eine ausgewiesene Champagnerexpertin, und ich nahmen erst eine Nase, dann einen Schluck.
Überraschung
Es fehlte im ersten Moment der Geruch, der uns bei den drei heimischen Flaschen um die Nase wehte. Hier in Berlin Mitte machte sich zwar ein zitroniger Geruch in der Nase breit, aber keiner, der so penetrant und scharf die Geruchsnerven reizte.
Auf der Zunge weiterhin ein sehr citrushafter und hefiger Geschmack – nicht unangenehm, aber doch sehr penetrant. Dann spielte noch etwas vom Apfel mit hinein, ein Geschmack, der mir bei der ersten Verkostung nicht aufgefallen war.
Kein kalter Grappa – diesmal.
Der finale Test
Andreas aus der Frankfurter Westlage hatte bei sich auch einige Pullen des “besten deutschen Rieslingsekts” stehen. So investierte ich erneut ein paar Euro in einen Sekt, der mich ansatzweise ratlos machte.
Ordentlich gekühlt und in den von der “Hauptsache Wein”-Gruppe mir mehrfach nahegelegten Riedel-Gläsern wurde eine weitere Flasche entkorkt, getrunken und für nicht “kalter-Grappa”-haft empfunden.
Geschmacklich konnten wir uns auf Apfel, Zitrone, kräftige Hefe, viel Prickel und einen immer noch sehr penetrant zitronigen Abgang einigen.
Das Fazit
Was auch immer in den ersten drei Flaschen abgefüllt worden war, die wir im Dezember gekauft hatten – mit den zwei Flaschen, die wir nachverkostet haben, hatte es wenig zu tun.
An Champagner kommt dieser gute Rieslingsekt nicht heran, da bleibe ich bei meiner Meinung. Aber für einen Preis zwischen 14 und 16 Euro ist der Reichsrat von Buhl ein ordentlicher und vernünftiger Sekt. Wer ihn mag, der wird ihn schnell zu einem seiner Lieblinge machen.
Eine Buhlschaft für die Ewigkeit wird der Reichsrat für uns nicht werden. Er ist ein guter Rieslingsekt mit hohem Anspruch, ordentlichem Preis und einer an Laurent-Perrier Rosé erinnernden Flaschenform. Er ist für mich nicht der beste Rieslingsekt der Welt – den suche ich weiter, und wir melden uns, wenn wir fündig geworden sind.
Die Geschichte zeigt einmal mehr: Wein und Sekt sind subjektiv, Chargen können sich unterscheiden, und manchmal braucht es mehrere Anläufe, um ein faires Urteil zu fällen. Der Reichsrat von Buhl bleibt ein polarisierender Sekt – und das ist vielleicht auch gut so.