KI, Thermomix und Lesestoff: Die großen Geldfresser und warum Vorwerk am Ende lacht
Ein Newsletter, der Küchentechnologie, künstliche Intelligenz und Genusskultur auf einzigartige Weise verbindet
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen zu einer Ausgabe, die ich mir schon lange vorgenommen hatte: Was passiert eigentlich mit dem ganzen Geld in der KI‑Welt? Und warum ist ausgerechnet die Vorwerk Gruppe mit ihrem Thermomix finanziell gesünder aufgestellt als Unternehmen, die mit 500 Milliarden Dollar bewertet werden?
Ein Blick auf die Zahlen öffnet einem die Augen.
Das Spiel mit den Milliarden: Wer verdient hier eigentlich woran?
Stellen wir uns vor, ihr habt ein Unternehmen. Ihr macht 12 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Klingt gut, oder? Jetzt die schlechte Nachricht: Ihr verbrennt dabei 5 Milliarden Dollar. Einfach so. Puff, weg.
Normal würde man sagen: „Das Unternehmen ist pleite.“ Aber nicht in der KI‑Welt. Da sagt man: „Das Unternehmen ist 500 Milliarden Dollar wert.“
Willkommen bei OpenAI.
Die zirkuläre Ökonomie: Geld im Kreis
Hier wird es richtig interessant. Microsoft investiert 15 Milliarden Dollar in Anthropic. Klingt nach viel Geld, oder? Aber Moment: Anthropic verpflichtet sich im Gegenzug, 30 Milliarden Dollar für Microsoft Azure auszugeben.
Lasst mich das übersetzen: Microsoft gibt Geld mit der rechten Hand und nimmt es mit der linken wieder zurück. Doppelt so viel.
Amazon macht dasselbe mit 8 Milliarden Dollar. Google auch mit 2 Milliarden. Alle investieren sie in KI‑Startups und alle bekommen sie das Geld als Cloud‑Umsatz zurück.
Ich nenne das die „Circular AI Economy“. Die Tech‑Giganten haben herausgefunden, wie man Umsatzwachstum simuliert, indem man sich gegenseitig Geld zuschiebt. Genial und gleichzeitig völlig absurd.
Google spielt ein anderes Spiel: Die vertikale Integration
Während alle über Gemini 3 und seine Benchmark‑Erfolge reden, übersehen die meisten das eigentlich Revolutionäre: Google hat gerade die Spielregeln komplett neu geschrieben.
Hier ist der Unterschied: OpenAI und Anthropic mieten ihre Rechenpower. Sie zahlen Milliarden an Microsoft, Amazon und Google für Cloud‑Dienste. Sie sind abhängig von Nvidia‑Chips, deren Preise sie nicht kontrollieren können.
Google macht etwas völlig anderes. Die haben ihre eigenen Chips gebaut: Tensor Processing Units, kurz TPUs. Die sechste Generation läuft seit Dezember 2024 und ist 4,7 Mal schneller als die Vorgängerversion bei 67 Prozent besserer Energieeffizienz.
Was bedeutet das? Google kontrolliert die gesamte Wertschöpfungskette. Vom Chip über die Rechenzentren bis zur Distribution über die Suchmaschine, Android, Chrome. Alles aus einer Hand.
Das ist, als würde Vorwerk nicht nur den Thermomix bauen, sondern auch die Fabriken, die Lieferkette, die Rezeptplattform und die Berater kontrollieren. Oh, Moment. Das machen die ja tatsächlich.
Kostenlos als Waffe
Gemini 3 Pro ist grundsätzlich kostenlos zugänglich. Einfach so. Keine Tricks, keine versteckten Kosten. Studierende bekommen sogar ein Jahr lang vollen Zugang mit 2 TB Speicher.
Für die API zahlt man 2 bis 4 Dollar pro Million Tokens. Das ist deutlich günstiger als bei OpenAI, sobald man komplexe Anfragen stellt.
Warum kann sich Google das leisten? Weil die eigenen TPUs die Betriebskosten dramatisch senken. OpenAI zahlt Nvidia und Microsoft für jeden Token. Google zahlt sich selbst.
Das ist keine Großzügigkeit. Das ist strategische Kriegsführung.
Google macht hier exakt das, was sie bei Android gemacht haben: Ein System kostenlos verteilen, damit alle anderen gezwungen sind, die Preise zu senken. Alphabet kann sich das leisten. Die machen immer noch 400 Milliarden Dollar Umsatz mit Werbung und werfen davon 93 Milliarden in KI‑Infrastruktur.
Und dann ist da Vorwerk
Während OpenAI und Anthropic Milliarden verbrennen und sich von Investoren am Leben erhalten lassen, macht Vorwerk etwas völlig Altmodisches: Das Unternehmen verdient Geld. Echtes Geld.
3,2 Milliarden Euro Umsatz. Mit Gewinn. Ohne externe Investoren. Ohne dass irgendjemand Microsoft oder Amazon Rechenleistung abkaufen muss.
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Die haben 1,4 Milliarden Euro einfach so auf dem Konto liegen. Liquid. Niemand kann ihnen den Stecker ziehen, weil sie niemandem gehören außer sich selbst.
Interessanterweise verfolgt Vorwerk eine ähnliche Strategie wie Google: Vertikale Integration. Thermomix ist nicht nur ein Gerät, sondern ein Ökosystem. Cookidoo als Rezeptplattform, 5 Millionen zahlende Abonnenten, eigene Finanzierungsbank für Ratenkäufe, 94.000 selbstständige Berater.
Das ist kein Küchengerät. Das ist eine Plattform. Und die gehört vollständig Vorwerk.
Das Paradoxon der Bewertung
Hier die Zahlen, die mich nicht schlafen lassen:
- Anthropic: 350 Milliarden Dollar Bewertung bei vielleicht 2 bis 5 Milliarden Dollar Umsatz. Verhältnis: 70 bis 175.
- OpenAI: 500 Milliarden Dollar Bewertung bei 12 bis 15 Milliarden Dollar Umsatz. Verhältnis: 33 bis 42.
- Google: 2 bis 3 Billionen Dollar Bewertung bei 400 Milliarden Dollar Umsatz. Verhältnis: 5 bis 7,5. Mit 30 Prozent operativer Marge. Profitabel.
- Vorwerk: Nicht börsennotiert, also keine offizielle Bewertung. Aber wenn wir großzügig sind und das Zehnfache des Umsatzes nehmen (was für ein profitables Unternehmen konservativ ist), landen wir bei 32 Milliarden Euro. Verhältnis: 10. Ebenfalls profitabel.
Was sagt uns das? Der Kapitalmarkt bewertet nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft. Oder besser: die Hoffnung auf eine Zukunft, in der diese Unternehmen Monopole errichten.
Die Wette auf die Zukunft
Ich will nicht zynisch klingen, aber schauen wir uns an, was hier wirklich passiert:
OpenAI hat 2.500 Mitarbeiter und macht 12 Milliarden Dollar Umsatz. Das sind 4,8 Millionen Dollar pro Kopf.
Google hat 180.000 Mitarbeiter und macht 400 Milliarden Dollar Umsatz. Das sind 2,2 Millionen Dollar pro Kopf.
Vorwerk hat 9.000 Mitarbeiter (plus 94.000 Berater) und macht 3,2 Milliarden Euro Umsatz. Das sind 350.000 Euro pro Kopf.
Der Unterschied? OpenAI verkauft Software. Google verkauft Werbung und baut nebenbei die Infrastruktur für die KI-Zukunft. Vorwerk verkauft Küchenmaschinen und muss sie auch noch mit Menschen an der Haustür verkaufen.
Software skaliert. Werbung skaliert. Küchenmaschinen nicht.
Aber hier ist die Frage: Was passiert, wenn die KI‑Blase platzt? Wenn die „Scaling Laws“ nicht mehr funktionieren? Wenn plötzlich alle merken, dass man für 500 Milliarden Dollar Bewertung vielleicht auch mal Gewinn machen sollte?
Die drei Strategien im Vergleich
Strategie 1: Die Abhängigen (OpenAI, Anthropic)
Diese Unternehmen mieten ihre Existenzgrundlage. Sie zahlen Milliarden für Cloud‑Dienste an die Firmen, die gleichzeitig ihre Investoren sind. Das ist, als würdet ihr euer Geschäft in einem Gebäude betreiben, das eurem Investor gehört, und die Miete ist höher als eure Einnahmen.
Das kann funktionieren, solange die Investoren glauben, dass irgendwann ein Monopol entsteht. Aber wenn diese Wette nicht aufgeht? Dann ist das Spiel vorbei.
Strategie 2: Der Hybrid (Google/Alphabet)
Alphabet hat das klügste Spiel von allen. Die verdienen solide Geld mit Werbung (400 Milliarden Dollar Umsatz, 30 Prozent Marge). Mit diesem Geld bauen sie ihre eigene KI‑Infrastruktur. Sie sind nicht abhängig von Nvidia oder anderen. Sie können sich Fehler leisten.
Und wenn die KI‑Wette nicht aufgeht? Dann machen sie halt weiter Geld mit Anzeigen.
Das ist wie ein Thermomix, der nebenbei auch noch ein Backofen ist. Wenn die Mixfunktion ausfällt, kannst du immer noch backen.
Strategie 3: Der Traditionalist (Vorwerk)
Vorwerk spielt gar nicht das KI‑Spiel mit. Die verkaufen Küchenmaschinen. An Menschen. Die dafür zahlen. Vorwerk verdient dabei Geld. Fertig.
Langweilig? Vielleicht. Stabil? Absolut.
Die haben in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zwischen 3 und 3,2 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Keine Explosion, aber auch kein Zusammenbruch. Einfach solide Geschäfte.
Was lernen wir daraus?
Die Frage ist nicht mehr „Welches KI‑Modell ist besser?“, sondern „Wer kontrolliert die Infrastruktur?“
Google hat gerade einen entscheidenden Vorsprung aufgebaut. Nicht weil Gemini 3 bei irgendeinem Benchmark ein paar Prozent besser abschneidet, sondern weil sie die gesamte Wertschöpfungskette vom Chip bis zur Suchmaschine kontrollieren.
OpenAI und Anthropic sind keine Unternehmen im klassischen Sinne. Sie sind Vehikel für eine technologische Wette. Finanziert durch eine zirkuläre Ökonomie, in der Geld im Kreis fließt und am Ende niemand so genau weiß, wer eigentlich was verdient.
Vorwerk hingegen verkauft Thermomixe. An Menschen. Die damit kochen. Und das Unternehmen verdient dabei Geld.
Lesestoff: Flash Boys. Weil die Stories sich gerne wiederholen
Ein altes Buch bekommt wieder Relevanz. Ich meine „Flash Boys“ von Michael Lewis (Dank an Moritz Schuster nochmal für den Tipp damals).
Worum geht es? Brad Katsuyama, ein Trader bei der Royal Bank of Canada, merkt etwas Seltsames: Wenn er Aktien kaufen will, verschwinden sie in Sekundenbruchteilen. Jemand ist schneller. Immer. Überall.
Die Antwort: Hochfrequenzhändler. Die haben Glasfaserkabel zwischen den Börsen verlegt, die Millisekunden schneller sind. Sie sehen deine Order, kaufen die Aktie vor dir und verkaufen sie dir teurer. Legal. Unsichtbar. Hochprofitabel.
Katsuyama baut mit einem Team einen alternativen Handelsplatz – IEX – der diese Geschwindigkeitsvorteile neutralisiert. Die Reaktion der Wall Street? Wut. Denn hier ging es nie um bessere Technologie. Es ging darum, wer die Infrastruktur kontrolliert.
Warum das Buch jetzt relevant ist:
- Ersetze „Hochfrequenzhandel“ durch „KI‑Infrastruktur“ und du hast exakt die Situation von 2025.
- Damals: Wer die schnellsten Kabel zwischen den Börsen hatte, gewann. Heute: Wer die Rechenzentren und Chips besitzt, gewinnt.
- Damals: Hochfrequenzhändler zahlten Börsen dafür, Orders früher zu sehen. Heute: KI‑Startups zahlen Cloud‑Anbietern Milliarden – die gleichzeitig ihre Investoren sind.
- Damals: Die meisten Anleger merkten nicht, dass sie systematisch ausgenutzt wurden. Heute: Die meisten Nutzer merken nicht, dass die KI‑Welt eine zirkuläre Ökonomie ist.
Die unbequeme Parallele:
Michael Lewis beschreibt, wie Technologie nicht dazu genutzt wurde, Märkte effizienter zu machen, sondern um Informationsvorsprünge zu monetarisieren. Die Hochfrequenzhändler haben nichts Produktives zur Wirtschaft beigetragen. Sie haben nur Geld aus dem System gezogen, weil sie schneller waren.
Klingt bekannt? OpenAI und Anthropic produzieren keine Chips, bauen keine Rechenzentren, kontrollieren keine Distribution. Sie sind abhängig von denen, die die Infrastruktur besitzen. Genau wie die Trader von damals abhängig waren von den Börsen.
Google ist in dieser Analogie nicht der Hochfrequenzhändler. Google ist derjenige, der die Glasfaserkabel verlegt und gleichzeitig die Börse betreibt. Das ist die eigentliche Macht.
Was Brad Katsuyama und Vorwerk gemeinsam haben
Beide haben verstanden, dass echte Unabhängigkeit nur durch Kontrolle der eigenen Infrastruktur entsteht. Katsuyama baute eine eigene Börse. Vorwerk baut eigene Geräte, eigene Plattformen, eigene Finanzierung.
Beide spielen nicht das Spiel der anderen mit. Sie haben ihr eigenes Spielfeld gebaut.
Fazit
„Flash Boys“ ist kein Buch über Börsenhandel. Es ist ein Buch darüber, wie Technologie Machtstrukturen verschiebt und wie schwer es ist, diese Strukturen zu durchbrechen, wenn sie einmal etabliert sind.
Wer verstehen will, warum Google mit Gemini gerade die Spielregeln neu schreibt, sollte verstehen, was in den 2000er Jahren an der Wall Street passiert ist.
Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie reimt sich.
Erhältlich überall, wo es gute Bücher gibt. Oder bei Amazon, wenn ihr euch nicht aus dem Haus bewegen wollt.
Manchmal ist das Langweilige am Ende das Klügere. Und manchmal ist derjenige, der sein eigenes Spielfeld besitzt, mächtiger als derjenige, der nur darauf spielen darf.
Bis nächste Woche mit neuen Einsichten zwischen Küche, Code und Kapital!
Euer #digitalpaddy
P.S.: Wenn ihr das nächste Mal hört, dass ein KI‑Startup mit 350 Milliarden Dollar bewertet wird, fragt euch: Wer besitzt eigentlich die Server, auf denen das Modell läuft? Die Antwort erklärt mehr als jeder Benchmark.
Bei der Erstellung des Newsletters haben mich Claude und ChatGPT unterstützt.
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