„In Deutschland sei alles schlecht und auf Bali alles viel besser.“
So prahlte neulich ein digitaler Nomade auf LinkedIn. Ich konnte nicht anders, als nachzuhaken: Wie steht es denn mit der öffentlichen Gesundheitsversorgung? Wie lange braucht auf Bali eigentlich ein Krankenwagen?
Für mich wirkte der Mann wie ein klassischer Sozialschmarotzer, der mit westlichem Einkommen besser lebt als viele Einheimische auf der Insel.
Mein Ärger war so groß, dass ich einen scharf verurteilenden Beitrag schreiben wollte. Ich habe mich dann mit den Fakten beschäftigt und mit Deep Research fand ich schließlich die Zahlen, die ich suchte:
Die klimabelastenden Flugreisen, den 183-Tage-Steuertrick, der es digitalen Nomaden erlaubt, fast überall steuerfrei zu arbeiten, und die gleiche Klientel, die sich dann lautstark über „miserable deutsche Infrastruktur“ beklagt.
Sicher, das Wetter auf Bali ist besser. Aber was ist mit dem Krankenwagen?
Was ich rausgefunden habe:
1. Der ökologische Fußabdruck – schwerer als gedacht
- 6–7 Flugsegmente pro Jahr legen DN laut NomadList‑Umfrage 2024 durchschnittlich zurück.
- Ein solcher Reise‑Mix verursacht ≈ 4 t CO₂ – fast der weltweite Pro‑Kopf‑Jahresschnitt.
Take‑away: Ohne Kompensation oder radikale „Slow‑Travel“‑Strategie liegt der DN‑Lebensstil deutlich über den Klimazielen von Paris.
2. Bali als Fallstudie: Müll & Wasser im Stresstest
Kennzahl (Provinz Bali) | 2023 | 2024 | Δ |
---|---|---|---|
Einreisen (alle Visa) | 5,27 Mio | 6,33 Mio | +20 % |
Abfallaufkommen | 1,23 Mio t | 1,31 Mio t | +7 % |
Süßwasserbedarf (Prognose) | 514 000 m³/Tag | 690 000 m³/Tag (2025) | +34 % |
Balis Umweltdienste sprechen längst von “kritischen Marken”: Grundwasser wird per Tanklaster geliefert, neue Hotelprojekte liegen auf Eis. Gleichzeitig entrichtet nur ein Teil der Tourist*innen die seit 2024 erhobene Tourist‑Tax von 150 000 IDR (≈ 9 €) – Mittel, die eigentlich Wasser‑ und Müllprojekte finanzieren sollen.
3. Steuerliche Grauzonen – das 183‑Tage‑Schlupfloch
- Die meisten DN‑Visa (etwa Indonesiens B211A oder das neue Remote‑Worker‑Visum E33G) befreien Einkommen, das im Ausland erzielt wird, von der lokalen Steuer, solange der Aufenthalt < 183 Tage bleibt.
- Wer rechtzeitig weiterzieht, entgeht zugleich der unbeschränkten Steuerpflicht im Heimatland – ein legales Niemandsland, das sich durch ausgeklügelte „Flag‑Theory“‑Konzepte noch optimieren lässt.
Take‑away: Staatliche Budgets für Infrastruktur bleiben auf beiden Seiten leer, während Kosten (Müll, Wasser, Straßen) lokal anfallen.
4. Was Digitale Nomaden dennoch einbringen
Potenzielle Nachteile | Potenzielle Vorteile |
Hohe Flugemissionen | Höhere Ausgaben pro Kopf als Pauschaltourist*innen |
Ressourcendruck (Müll, Wasser) | Temporäre Jobs (Coworking, Gastronomie, Tech) |
Gentrifizierung & hohe Mieten | Know‑how‑Transfer, internationale Netzwerke |
Viele DN‑Communities organisieren Beach‑Clean‑Ups, Coding‑Bootcamps oder Mentoring für lokale Start‑ups. Madeira etwa verknüpft sein DN‑Programm mit Pflicht‑Beiträgen zu Sozialprojekten.
5. Wege aus dem Dilemma
- Slowmading statt Jet‑Hopping – längere Aufenthalte senken CO₂ pro Jahr und erhöhen lokale Steuerpflicht.
- Lenkungsabgaben: Höhere Umwelt‑ bzw. Tourismusabgaben können reale Kosten abbilden, wenn sie zweckgebunden investiert werden.
- Visum‑Re‑Design: Verknüpft steuerliche Registrierung & Nachweis der Krankenversicherung mit jeder DN‑Verlängerung.
- Transparenz‑Dashboards: Monatliche Veröffentlichung von Visa‑ sowie Umwelt‑Kennzahlen (z. B. auf SIPSN).
Habe ich mich vergallopiert? Wie seht ihr das Thema, wenn es um weltreisende Digitalarbeiter geht die wenig gute Worte für ihr Heimatland übrig haben, aber anstatt etwas zu ändern lieber die Ressourcen von “Traumzielen” verbrauchen.