
Oder: Warum der Panda jetzt ein Chatbot ist und Blogger*innen sich endlich emanzipieren sollten
Als ich vor zehn Jahren meinen ersten Blog startete, war Google für mich das Tor zur Welt – oder eher: der Türsteher. Und wenn man reinwollte, musste man sich benehmen. Also brav Keywords streuen, do-follow-Regeln beherzigen, und hoffen, dass der große Algorithmus einen mit einem guten Platz auf Seite 1 belohnt. Heute ist alles anders. Nur eines bleibt gleich: die Illusion, man könnte Google gefallen, wenn man sich nur genug Mühe gibt.
Der Mythos vom SEO-Orakel
Früher gab es SEO-Götter. Heute gibt es KI-Spezialist:innen mit ChatGPT-Account. Der Unterschied? Früher wurde gemutmaßt, was der Algorithmus will. Heute lassen wir uns vom Prompt-orakelnden Chatbot sagen, was ein „Topical Cluster“ ist und warum unser Blog „E-A-T“ braucht – nein, nicht zum Essen, sondern für „Experience, Authority, Trust“. Danke, KI.
Und dann ist da Googles neues Spielzeug: die Search Generative Experience (SGE). Statt zehn blauer Links kriegst du jetzt eine schlaue Zusammenfassung, verfasst von einer generativen KI. Deine liebevoll geschriebenen Blogartikel? Wandern direkt in die Fußnoten der KI-Antwort. Besucherzahlen? Eher mau.
Die Rückkehr der Legenden
Trotzdem halten sich manche Mythen wie Unkraut im CMS:
- „Google verbietet do-follow bei Werbung!“ – Nein. Google empfiehlt. Der Gesetzgeber verpflichtet.
- „Google straft mich ab!“ – Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Und selbst wenn: Hat dein Blog je Millionenreichweite gehabt oder reden wir hier von einem Trafficverlust von 17 Besucher:innen im Monat?
Es ist wie damals mit den Pandas und Pinguinen (Google-Updates, keine Zootiere). Nur dass die heutigen Updates „Bard“, „Gemini“ oder „SGE“ heißen und ganze Content-Strategien mit einem „Wir zeigen Antworten direkt“ auslöschen können.
Plattformtreue ist keine Strategie
Blogger*innen und kleine Seitenbetreibende hängen oft am Rockzipfel von Google. Verständlich. Doch gefährlich. Denn Google ist kein Freund. Google ist ein Unternehmen. Es nutzt deinen Content, wenn er gebraucht wird, und blendet ihn aus, wenn die eigene KI es besser weiß.
Gleichzeitig wird KI überall eingebaut: WordPress-Plugins, SEO-Tools, E-Mail-Editoren. KI schreibt, bewertet, priorisiert. Und plötzlich stellt sich die Frage: Was bleibt eigentlich vom „Ich“ im Content?
Vom SEO-Tanz zur Content-Qualität
Natürlich macht es Sinn, technische Basics zu beachten: Core Web Vitals, Mobile Usability, semantische Überschriften. Aber der eigentliche Wert liegt im Inhalt: Was du zu sagen hast. Wie gut du recherchierst. Wie originell du formulierst.
Denn das kann keine KI (noch nicht) in der Tiefe nachbilden.
Und weil heute fast jede*r mit KI-Tools Texte rausballert wie früher mit dem Thermomix die Suppe, wird Qualität wieder sichtbar. Wer eigene Gedanken, echte Meinungen und einen Standpunkt hat, gewinnt.
Fazit: Wer bloggt, sollte nicht nur für Google schreiben
Oder Bing. Oder Gemini. Oder den nächsten KI-Crawler.
Sondern für Menschen. Für Leser:innen. Für sich selbst.
Denn während sich Suchmaschinen transformieren, bleibt eines konstant: Relevanz entsteht nicht durch Prompt-Poesie oder SERP-Hacking. Sondern durch Substanz.
Und wer Pandas mag – die gibt’s immer noch. Im Zoo.
Für Content-Pinguine und SEO-Gorillas gibt’s KI.
Aber du bist ja Mensch. Also schreib so.