In der neuen Folge von meiersworld für die Ohren habe ich mit Anna Thiessen gesprochen, einer Unternehmerin, die sich auf Prozessoptimierung, Digitalisierung und Automatisierung für KMUs spezialisiert hat. Wir haben über etwas geredet, das die meisten Unternehmer lieber verdrängen würden: ihre Prozesse.

Dass wir den Aufnahmetermin zweimal verschieben mussten, war schon das erste Negativbeispiel für suboptimale Prozesse. Aber genau darum geht es ja. Niemand ist perfekt. Und niemand hat von Anfang an perfekte Abläufe.

Vom Faxgerät zur Prozessoptimierung

Anna kommt aus dem Gesundheitswesen. Aus einer Branche also, in der man heute noch Rezepte durch die Gegend faxt. Ja, richtig gelesen: faxt. Im Jahr 2024. Das ist nicht nur erschreckend, das ist vor allem symptomatisch für ein Problem, das weit über die Gesundheitsbranche hinausgeht.

Corona war für Anna der Weckruf. Plötzlich wurde sichtbar, was man jahrelang ignoriert hatte: Die analogen Prozesse funktionieren nicht mehr. Man kann nicht einfach Homeoffice verordnen und hoffen, dass die Faxgeräte plötzlich digital werden. Man kann nicht erwarten, dass Strukturen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, sich über Nacht in Nullen und Einsen übersetzen lassen.

Und genau da setzt Anna an. Mit ihrer Arbeit in Zeitarbeitsfirmen hat sie unzählige neue Strukturen kennengelernt. Oder besser gesagt: Sie hat festgestellt, dass es oft gar keine Strukturen gibt. Dass Dinge laufen, weil sie schon immer so gelaufen sind. Dass niemand sich traut zu fragen: Warum eigentlich?

Das haben wir schon immer so gemacht

Ich habe Anna gefragt, wie die Reaktionen sind, wenn sie mit ihrem Angebot auf Unternehmen zugeht. Die Antwort überrascht nicht wirklich: Automatisierung wollen alle. Klar, das klingt sexy, modern, nach Silicon Valley und schlanken Prozessen. Aber Prozessoptimierung? Da werden die Gesichter skeptisch.

«Meine Prozesse stimmen», heißt es dann. Das klassische «Das haben wir schon immer so gemacht» in neuem Gewand.

Was die meisten nicht verstehen: Man kann analoge Prozesse nicht einfach eins zu eins ins Digitale übertragen. Analog ist grau, hat Schleifen, Umwege, Ausnahmen. Digital ist an oder aus. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Und der tut manchmal weh, wenn man ihn erkennt.

Wenn Optimierung ans Eingemachte geht

Im Gespräch mit Anna wird schnell klar: Das Wort «Optimierung» hat für viele einen bitteren Beigeschmack. Es impliziert, dass etwas vorher nicht optimal war. Und das trifft. Das trifft hart, wenn man etwas mit Herzblut aufgebaut hat, wenn man schlaflose Nächte reingesteckt hat, wenn man stolz ist auf das, was man geschaffen hat.

Aber Anna hat einen anderen Ansatz. Es geht ihr nicht darum, jemandem zu sagen: «Das habt ihr falsch gemacht.» Es geht darum zu sagen: «Lasst uns das noch besser machen.» Lasst uns Ressourcen freisetzen für das, was wirklich wichtig ist. Fürs Kerngeschäft. Fürs Produkt. Für die Kunden.

Denn wenn Prozesse Zeit fressen, wenn in der Buchhaltung Rechnungen durcheinander geraten, wenn Mahnungen verschickt werden, obwohl längst bezahlt wurde, dann ist niemand glücklich. Weder Anbieter noch Kunde.

Smart arbeiten statt schneller arbeiten

Einer der Sätze, die mir besonders im Kopf geblieben sind: «Es geht nicht darum, schneller zu arbeiten, sondern klüger zu arbeiten.»

Das klingt banal. Ist es aber nicht.

In unserer Effizienzbesessenen Welt denken wir bei Optimierung automatisch an Geschwindigkeit. Schneller, besser, mehr. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, mit weniger Aufwand das Bestmögliche herauszuholen. Ohne sich dabei kaputtzumachen. Ohne die Mitarbeiter zu verbrennen.

Anna nennt sich selbst die «Notärztin für Prozesse». Ein Bild, das passt. Manchmal liegt der Patient schon auf der Bahre, ist am Beatmungsgerät. Manchmal braucht es sogar zwei Beatmungsgeräte, weil es in mehreren Bereichen gleichzeitig brennt.

Hart in der Sache, weich im Herzen

Was mich an Anna beeindruckt hat: Ihre LinkedIn-Beiträge wirken hart. Direkt. Ungefiltert. Aber im Gespräch merkt man schnell: Da ist jemand, der mit Herzblut dabei ist. Jemand, der nicht nur Prozesse optimiert, sondern Menschen abholen will.

Sie erzählt von einer Psychologin, einer Kundin, die extrem vorsichtig mit ihren Daten war. Die jede Antwort noch mal kleiner auseinandergenommen hat. Die skeptisch war, ob jemand, der so direkte Beiträge schreibt, überhaupt die richtige Person für sie ist. Am Ende war die Kundin glücklich. Nicht trotz der direkten Art, sondern wegen ihr.

Denn genau das fehlt in unserer durch KI glattgebügelten Welt: Ehrlichkeit. Jemand, der sagt, was Sache ist. Jemand, der nicht alles schönredet, sondern auf den Punkt bringt, wo es brennt.

Warum KMUs jetzt handeln sollten

Anna hat sich auf den Mittelstand spezialisiert. Aus dem Gesundheitswesen ist sie raus, weil man das nicht nach Hause tragen will. Zu viel Leid, zu viel Abstumpfung. Im Mittelstand ist es anders. Da geht es um Unternehmen, die vor der Übergabe stehen. Um Generationenwechsel. Um die Frage: Wie halte ich das am Laufen, wenn weniger Mitarbeiter da sind?

Das ist keine theoretische Frage. Das ist die Realität vieler kleiner und mittlerer Unternehmen. Der demografische Wandel ist keine Prognose mehr, er ist da. Und wer jetzt nicht anfängt, seine Prozesse zu hinterfragen, wird ein Problem bekommen.

Das Fazit nach 40 Minuten

Was nehme ich mit aus diesem Gespräch? Dass Prozessoptimierung kein Buzzword ist. Dass es nicht darum geht, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Dass es darum geht, klüger zu arbeiten, nicht härter. Und dass manchmal ein bisschen Schmerz nötig ist, um besser zu werden.

Anna Thiessen ist eine dieser Menschen, die zeigen, dass es auch außerhalb der üblichen Marketing-Bubble spannende Geschichten gibt. Direkt, ehrlich, mit Herz. Genau so, wie gute Arbeit sein sollte.

Wer mehr über Anna und ihre Arbeit erfahren will, findet sie auf LinkedIn. Und wer sich fragt, ob seine eigenen Prozesse vielleicht auch mal ein Update vertragen könnten, sollte sich die Folge anhören.

Manchmal braucht es eben eine Notärztin.

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