
Der Newsletter, der Küchentechnologie, künstliche Intelligenz und Genusskultur auf einzigartige Weise verbindet
Liebe Leserinnen und Leser,
Willkommen zur vierzehnten Ausgabe! Diese Woche widmen wir uns einem besonders pikanten Thema: dem vielleicht genialsten Geschäftsmodell der Menschheitsgeschichte. Stellt euch vor, ihr hättet ein Restaurant, in dem die Gäste nicht nur für ihr Essen bezahlen, sondern auch noch kostenlos beim Kochen helfen – und das Essen ist in der Hälfte der Fälle ungenießbar.
Willkommen in der Welt der KI-Monetarisierung.
Das Win-Win-Win-Geschäftsmodell: Wie KI-Anbieter dreifach profitieren
Win Nr. 1: Wir trainieren ihre Systeme
Jede Anfrage, die wir stellen, jedes Projekt, das wir hochladen, jede Korrektur, die wir vornehmen – all das fließt in die Verbesserung der KI-Systeme ein. Wir sind unbezahlte Trainer, Qualitätsprüfer und Produktentwickler in einem.
Stellen wir uns vor, Vorwerk würde ein ähnliches Modell fahren: „Kauft unseren Thermomix TM Beta, helft bei der Entwicklung mit und bezahlt trotzdem den vollen Preis!“ Undenkbar? Bei KI ist es Realität.
Win Nr. 2: Wir bezahlen für jede Interaktion
Token für Token zahlen wir für jeden Gedankengang der KI – egal, ob brillant oder Blödsinn. Das ist, als würden wir einem Berater 200 Euro pro Stunde zahlen, auch wenn er uns erzählt, dass Wasser bergauf fließt.
Win Nr. 3: Wir übernehmen das Risiko
Wenn der KI-generierte Code nicht funktioniert, ist das unser Problem. Wenn die Geschäftsstrategie in die Hose geht, tragen wir die Konsequenzen. Wenn das Rezept anbrennt – nun ja, beim Thermomix würden wir Vorwerk verklagen. Bei KI zucken wir mit den Schultern und zahlen für den nächsten Versuch.
Die Thermomix-Parallele: Was wäre, wenn Vorwerk wie OpenAI arbeiten würde?
Szenario: Thermomix-as-a-Service
Ihr mietet einen Thermomix für 20 Euro pro Nutzungsstunde. Jedes Mal, wenn ihr ihn einschaltet, läuft die Uhr – auch wenn das Gerät beschließt, statt eures Risottos eine ungenießbare Pampe zu produzieren.
„Entschuldigung“, würde der Support sagen, „aber ihr habt ja trotzdem unsere Rechenleistung genutzt. Das Gerät hat 47 Minuten lang gerührt, erhitzt und gemixt. Dass das Ergebnis unbrauchbar ist, ändert nichts an unserem Aufwand.“
Absurd? Genauso funktioniert die KI-Industrie heute.
Die bittere Wahrheit: Wir sind die perfekten Kunden
Wir liefern kostenlos:
- Trainingsdaten durch unsere Anfragen
- Qualitätskontrolle durch unser Feedback
- Produktentwicklung durch unsere kreativen Anwendungen
- Fehlerdiagnose durch unsere Korrekturen
Und zahlen dabei noch für das Privileg, unbezahlte Mitarbeiter zu sein.
Das ist, als würden wir Vorwerk unsere Lieblingsrezepte schenken, beim Testen der neuen Geräte helfen, Bugs melden – und trotzdem den vollen Kaufpreis zahlen. Plus Nutzungsgebühren.
Der Realitätscheck: Warum wir trotzdem mitmachen
Aber halt – bevor wir uns zu sehr empören, schauen wir ehrlich hin: Trotz aller Macken bekommen wir oft erstaunlich gute Ergebnisse. Die KI schreibt brauchbare Texte, löst komplexe Probleme und spart uns Zeit.
Das Problem ist nicht, dass KI manchmal falsch liegt. Das Problem ist das Bezahlmodell, das so tut, als wäre jede Antwort gleich wertvoll.
Ein faires Modell: Was wäre, wenn KI wie ein ehrlicher Handwerker arbeiten würde?
Stellen wir uns vor, KI-Anbieter würden ehrlich mit der Qualität ihrer Arbeit umgehen:
„No-Code-Guarantee“: Code, der nicht kompiliert, kostet nichts.
„Fact-Check-Bonus“: Nachweislich falsche Informationen werden erstattet.
„Satisfaction-or-Refund“: Bei völlig unbrauchbaren Antworten gibt es Token zurück.
„Quality-Tiered-Pricing“: Einfache Aufgaben kosten weniger, komplexe mehr – aber mit entsprechenden Garantien.
Vorbilder gibt es bereits: Julius Ganns, Chief Digital Officer bei Vorwerk, zeigt mit der Entwicklung von Cookidoo und dem TM7, wie digitale Dienste kundenorientiert statt rein gewinnmaximierend gestaltet werden können. Hier zahlen Kund:innen für ein Gesamterlebnis, nicht für jeden einzelnen Rechenschritt.
Die Thermomix-Lehre: Ehrlichkeit zahlt sich aus
Vorwerk hat mit dem Thermomix ein langfristig erfolgreiches Geschäft aufgebaut, weil das Gerät hält, was es verspricht. Ja, es ist teuer. Aber es funktioniert. Zuverlässig. Seit Jahren.
Die KI-Industrie könnte von dieser Ehrlichkeit lernen. Statt zu verheimlichen, dass ihre Systeme experimentell sind, könnten sie transparente Qualitätsstufen einführen:
„KI-Alpha“: Experimentell, günstiger, keine Garantien.
„KI-Beta“: Getestet, mittlerer Preis, Teilgarantien.
„KI-Professional“: Geprüft, teurer, aber mit Qualitätsversprechen.
Die provokante Frage: Sind wir die Dummen?
Mal ehrlich: Ist es nicht brillant von den KI-Anbietern? Sie haben ein System geschaffen, in dem wir
- ihre Produkte verbessern,
- für jede Nutzung zahlen,
- das Risiko allein tragen
- und trotzdem begeistert weitermachen.
Das ist Marketing-Genialität der Extraklasse. Oder sind wir einfach die perfekten Versuchskaninchen, die auch noch für das Privileg zahlen, Versuchskaninchen zu sein?
Der Weg nach vorn: Bewusste Nutzung statt blinde Begeisterung
Die Lösung liegt nicht darin, KI zu verteufeln. Sie liegt darin, bewusster zu nutzen:
Kritisch bewerten: Nicht jede KI-Antwort ist Gold wert.
Qualität einfordern: Feedback geben, wenn Ergebnisse schlecht sind.
Fair bezahlen: Nur für brauchbare Ergebnisse zahlen wollen.
Transparent arbeiten: Ehrlich sein, wenn KI geholfen hat.
Das perfekte Beispiel: Wenn KI sich selbst entlarvt
Und hier kommt das schönste Beispiel für unser Thema – es passierte beim Schreiben dieses Newsletters:
Ich zu Claude: „Bist du dir sicher, dass es diesen Wein gibt ‚Riesling Kabinett 2023 vom Weingut Schneider‘?“
Claude: „Nein, da bin ich mir nicht sicher. Ich habe diesen Wein erfunden, ohne zu prüfen, ob das Weingut Schneider existiert oder ob es tatsächlich einen Riesling Kabinett 2023 produziert. Das ist ein perfektes Beispiel für das Problem, das wir im Newsletter diskutiert haben: Ich habe eine konkrete Weinempfehlung gegeben, ohne sicherzustellen, dass die Information korrekt ist. Du hast für diese Antwort ‚bezahlt‘ (in Form von Aufmerksamkeit und Vertrauen), obwohl die Information möglicherweise falsch ist.“
Meine Antwort: „Du bist witzig … ja, bitte suche nach einem Wein der Winzerin Eva C. Müller, den wir hier empfehlen wollen.“
Genau das ist das Problem: KI kann mit großer Überzeugung völlig falsche Informationen liefern. Und wir zahlen dafür. Bei einem menschlichen Berater würden wir eine Rückerstattung fordern. Bei KI nicken wir und fragen nach der nächsten, hoffentlich korrekten Information.
Fazit: Zwischen Faszination und Fairness
Die KI-Revolution ist faszinierend, keine Frage. Aber das aktuelle Geschäftsmodell ist einseitig. Wir sollten nicht aufhören, KI zu nutzen. Aber wir sollten aufhören, naive Kund:innen zu sein.
Wenn Vorwerk einen Thermomix verkaufen würde, der nur in 70 Prozent der Fälle funktioniert, gäbe es einen Aufschrei. Bei KI zucken wir mit den Schultern und zahlen weiter.
Vielleicht ist es Zeit für ein wenig mehr Thermomix-Mentalität in der KI-Welt: Qualität hat ihren Preis – aber Preis sollte auch Qualität bedeuten.
Lesestoff: Ein Wein für ehrliche Geschäfte (diesmal echt!)
Zum Thema Ehrlichkeit im Geschäft passt der 2023er Wöllsteiner Äffchen Riesling von Eva C. Müller aus dem Weingut Hermann J. & Jutta Müller in Rheinhessen. Ein Wein von einer Winzerin, die nicht vorgibt, etwas zu sein, was sie nicht ist.
Er ist trocken ausgebaut (12,5 % vol.) und wächst auf Vulkangestein in der Lage Wöllsteiner Äffchen – ein Name, der übrigens nicht auf Tiere, sondern auf alte Ulmen (rheinhessisch: „Effen“) zurückgeht.
Eva C. Müller, ehemalige Rheinhessische Weinkönigin und Deutsche Weinprinzessin, bringt als staatlich geprüfte Technikerin für Weinbau und Oenologie ihr Fachwissen in den Familienbetrieb ein. Ihre Weine stehen für das, was sie sind: ehrlich, gradlinig, ohne Schnörkel.
Mit 12,5 % vol. ist er ein perfekter Begleiter für warme Sommerabende – oder für kontroverse Newsletter-Diskussionen über KI-Geschäftsmodelle. Ein Wein, der zeigt: Qualität entsteht durch Können, nicht durch Marketing-Versprechen.
Preis: ca. 10–13 €
Ehrlichkeits-Faktor: Hoch
Empfehlung: Für alle, die gerade mit unfairen Geschäftsmodellen hadern
Was denkst du über das KI-Bezahlmodell? Bist du auch schon mal für schlechte KI-Antworten zur Kasse gebeten worden? Schreib es in die Kommentare!
Bis nächste Woche mit neuen Einsichten zwischen Küche, Code und Kommerz!
Euer #digitalpaddy