Mai 15, 2024

Entre Nous – Geschichten aus der Weinbar – Beerdigung

Eine Bar ist wie ein Stück Theaterbühne. Jeden Tag wird das gleiche Stück gespielt, nur in anderer Besetzung.

Unbekannter Trinker

Das letzte Glas ist getrunken. Die letzte Träne geflossen. Der Tresen und die Tische geputzt. Der Käse und Schinken verpackt. Eine Maus huscht unter dem Tisch in der Mitte des Lokals von links nach rechts. Die Stühle werden hochgestellt. Die Tageseinnahmen gezählt. Das Trinkgeld verteilt. Das Licht gelöscht. Der Schlüssel im Schloss dreht sich. Feierabend.

Wer über Jahre an die gleichen Orte geht, um zu essen und zu trinken, mal mehr essend, mal mehr trinkend seine Zeit verbringt, der weiß um die Heiligkeit dieser Orte. Für viele ist eine Weinbar ein solches Heiligtum. Diese Weinbar ist ein solcher Ort. Für manche ein Treffpunkt. Andere sehen ihn als ihr Hospiz in den letzten Tagen, bevor sich die Seele vom sozialen Dasein verabschiedet. Eine Stätte der Anonymität für diejenigen, die heimlich trinken und immer an den gleichen Orten sind, diese aber scheinheilig mehrfach wechseln. Die Wanderer zwischen den Welten, die Paare, die nicht mehr reden, aber dafür die Lautstärke dieses Ortes verantwortlich machen können, wenn sie am Abend schweigend im Bett liegen und sich nach dem Leben sehnen. Die Einsamen, die nicht alleine sind und dennoch niemanden finden. Die Schweigenden! Die Fabulierenden. Die Wissenden. Die Netten. Die Rauchenden. Die Kaffeetrinker. Die Grüppchen. Die Verliebten. Die Spesenden. Die Ärgerlichen. Die, die immer da sind.

Hinter der Theke gibt es die gleiche Sorte Menschen. Nur meist als Symbiose der verschiedenen Geister, die sie an den Abenden riefen und die kamen. Sie sind Trinkende. Einsame. Getrennte. Liebende. Verärgerte. Hungrige. Wissende. Hilfsbereite. Faule. Aber sie sind immer die einmalige Spezies Mensch, die wir nur in der Gastronomie finden: Gastgeber. Gastgebende, egal was sie waren, bevor sie hinter die Theke traten. Sie übernehmen ihre Rolle im gespielten Stück und sind dann immer herzliche und liebende Menschen, die ihren Gästen ein Zuhause bieten.

Wenn eine der Seelen, die einen solchen Ort bewohnen, endgültig den letzten Grand Cru geleert hat, dann ist dies ein Grund für eine letzte Sause mit den Freunden und Mittrinkenden. Den Menschen, die wir nur dort mochten und liebten. Im Leben außerhalb aber nie verstehen konnten oder wollten.

Sie hatte sich einen Stammplatz verdient. Viele Jahre hatte sie uns mit ihrem Lachen unterhalten, ihr Geist beeindruckte und ihr Gehen schmerzte uns.

Ist eine Bar nicht ein heiterer Ort, fragt mich die junge Aushilfe. Warum schließen wir am umsatzstärksten Tag, um einen Gast zu verabschieden, der nicht mehr kommen wird?

Die Jugend hat das Anrecht auf eine solche Frage, und sie hat etwas mit der Menschlichkeit zu tun, die wir an diesen Orten finden. Vielleicht einer der wenigen Orte, neben den Kirchen, an denen unsere Seelen sich offenbaren und wir Erlösung suchen und finden.

Disclaimer: Wir möchten darauf hinweisen, dass die in diesem Blogpost geschilderten Handlungen und Ereignisse rein fiktiver Natur sind. Alle Ähnlichkeiten mit realen Personen, lebend oder verstorben, oder tatsächlichen Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Dieser Beitrag dient ausschließlich Unterhaltungszwecken und soll die Fantasie anregen. Wir bitten darum, die erzählten Geschichten als das zu genießen, was sie sind – Erzeugnisse der Kreativität und Fiktion.

Bild: Adobe Stock

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