Der Newsletter, der Küchentechnologie, künstliche Intelligenz und Genusskultur auf einzigartige Weise verbindet

Liebe Leserinnen und Leser,

die Sommerferien sind in Hessen vorbei, und ein neues Schuljahr steht vor der Tür. Das bedeutet neue Herausforderungen für Familien – und natürlich auch die Diskussion darüber, wie unsere Kinder mit KI umgehen sollen. Diese Gespräche erinnern mich an die Zeit, als der Thermomix in unsere Küche einzog: Plötzlich war alles anders – jeder musste sich erst damit auseinandersetzen.

Die große Verführung: Wenn KI zum Größenwahn verleitet

Auf jedem Sommerfest, bei jedem Grillabend, in jeder Runde drehte sich dieses Jahr die Diskussion um KI. Und dabei ist mir etwas aufgefallen: KI verführt Menschen dazu, Dinge tun zu wollen, die sie vorher nie konnten. Der eine möchte plötzlich programmieren. Der nächste glaubt, er könne über Nacht zum großen Autor werden. Ein dritter, der schon immer mit buchhalterischen Themen haderte, träumt davon, sein eigener KI-Steuerberater zu werden.

Das ist genau wie beim Thermomix. Menschen kaufen sich das Gerät und meinen plötzlich, sie seien ein Vier-Sterne-Koch. Nein, bist du nicht. Du bist auch nicht plötzlich ein Experte auf einem Gebiet, auf dem du noch nie einer warst – nur weil du weißt, wie du die KI halbwegs vernünftig bedienen kannst.

Die andere Perspektive: KI als neues Talent

Dr. Oliver Bohl sieht das anders – und hat damit nicht unrecht. In einem aktuellen LinkedIn-Post berichtet er über ein Interview, das er der iBusiness gegeben hat. Seine Einschätzung: „Persönlich sehe ich KI keinesfalls als Jobkiller, sondern als neues Talent, das skalierbar ist.“ Seine These: Generalisten, die Kreatives mit Technischem verbinden, werden wichtiger.

Das ist ein wichtiger Punkt. Aber ich beobachte etwas anderes: Viele Menschen werden durch KI nicht zu wertvollen Generalisten, sondern zu selbstüberschätzten Möchtegern-Experten. Der Unterschied liegt in der Herangehensweise.

Die Grundregel: Du musst wissen, was in den Topf gehört

Die Grundvoraussetzung für ein gelungenes Essen und für funktionierenden Code ist dieselbe: Du musst wissen, was alles in den Zutatentopf gehört. Das gilt für die Steuerung einer künstlichen Intelligenz genauso wie für den berühmten Thermomix-Zauber.

Oliver Bohl spricht von Generalisten, die „Silos aufbrechen“. Aber genau dafür brauchst du erst einmal solide Grundlagen in mindestens einem Bereich. Wenn du merkst, dass irgendwas am Rezept nicht stimmt, das der Thermomix dir vorgibt, kannst du es mit dem richtigen Gefühl korrigieren – vorausgesetzt, du hast dieses Gefühl in der Küche gesammelt. Genauso ist es bei der KI.

Ein Beispiel aus diesem Sommer: Mein Template-Desaster

Ich habe mich schon immer über verschiedene WordPress-Templates geärgert. Einer der Gründe, warum ich eine Weile nicht gebloggt habe, war, dass ich nie das richtige Template gefunden habe. Also setzte ich mich hin und sagte: Gut, ich kann ja jetzt mit der KI ein eigenes WordPress-Template entwerfen.

Ich bin nun mal kein Programmierer, deswegen hat dieser Prozess auch länger gedauert, als ich mir vorgestellt hatte. Natürlich gab es Schwierigkeiten. Die KI hat Code vorgeschlagen, der dann irgendwo doch nicht passte. Und da kann ich hundertmal reinschauen – ich als Nicht-HTML-, -Python- oder -sonst-was-Programmierer erkenne es nicht. Ich spreche diese Sprache nicht.

Ich kann der KI ganz gut prompten, was ich möchte. Macht sie aber einen Fehler, wird es für mich als jemanden, der nicht coden kann, extrem schwierig, diesen Prozess zu beenden. So ist es natürlich auch beim Kochen.

Die Verführer und die Ehrlichen

Es sind die Verführer da draußen, die sich Berater, KI-Experten und Coaches nennen – die einem schon immer eingeredet haben, dass man mit bestimmten Tools Dinge erreichen kann, die vorher unerreichbar waren. Aber wie Eduard Andrae von Trusted Blogs richtig bemerkt: Erst durch die eigene Perspektive wird Content unverwechselbar – KI allein macht noch keinen Experten.

Es gibt aber auch die anderen: Experten wie Andrea Weiss, die ehrlich über die Grenzen von KI-Marketing sprechen und nicht einfach behaupten, mit KI werde jeder zum Marketing-Genie. Oder Dr. Claudia Hilker, die fundierte LinkedIn-Strategien entwickelt, statt schnelle Wunderlösungen zu versprechen. Und eben auch Dr. Oliver Bohl, der realistisch über KI als „neues Talent“ spricht – ohne zu versprechen, dass jeder über Nacht zum Generalisten wird.

Der Unterschied ist entscheidend: Die einen verkaufen dir das Gefühl, über Nacht zum Experten zu werden. Die anderen helfen dir dabei, deine vorhandenen Fähigkeiten mit intelligenten Werkzeugen zu verstärken.

Mein Ratschlag: Schuster, bleib bei deinen Leisten

Oliver Bohl hat recht: KI kann ein wertvolles neues Talent sein – aber nur, wenn du bereits weißt, in welchem Bereich du dieses Talent einsetzen willst. Nutze die KI und den Thermomix für die Dinge, die du kannst. Aber glaube nicht, dass du plötzlich von heute auf morgen ein Mathe- und Programmiergenie wirst, nur weil du weißt, wie du einen Prompt richtig eingeben kannst.

Die wertvollsten Menschen in der KI-Ära werden nicht die sein, die am besten prompten können. Es werden die sein, die wissen, was sie gut können – und KI gezielt dafür einsetzen, diese Stärken zu verstärken.

Die Weisheit der Beschränkung

Vielleicht ist die wichtigste Lektion dieser Ausgabe, dass wir unsere Grenzen kennen und respektieren sollten. KI und Thermomix sind brillante Werkzeuge – aber sie machen uns nicht zu dem, was wir nicht sind. Sie verstärken unsere vorhandenen Fähigkeiten, aber sie erschaffen keine neuen Talente aus dem Nichts.

Der wahre Experte erkennt man daran, dass er weiß, was er nicht weiß. Und dass er ehrlich sagt: „Hier höre ich auf, hier brauche ich Hilfe.“

KI-Musikvideo: Wenn Maschinen komponieren

Apropos KI-Verführung: Ich habe selbst ein kleines Experiment gewagt und ein Musikvideo komplett mit KI erstellt. Mit ElevenLabs Music für den Sound und Veo3 für die Bilder entstand ein Video über – passend zum Thema – den Newsletter selbst.

📹 Das Ergebnis könnt ihr euch auf YouTube anschauen:
👉 https://youtu.be/CO3wPyLV5DI?si=no0pK3BqCjKqoPf

War ich nach dem Video plötzlich ein Musiker oder Filmemacher? Nein. Aber ich habe verstanden, wie diese Tools funktionieren – und wo ihre Grenzen liegen. Ein perfektes Beispiel dafür, worum es in dieser Ausgabe geht: KI als Werkzeug nutzen, ohne sich selbst zu überschätzen.


Bis nächste Woche mit neuen Einsichten zwischen realistischen Einschätzungen und bescheidener Selbsterkenntnis!
Euer #digitalpaddy

P.S.: Falls ihr nach dem Lesen Lust bekommen habt, etwas Neues zu lernen – macht es. Aber fangt klein an, seid geduldig mit euch und gesteht euch ein, wenn ihr Hilfe braucht. Das ist keine Schwäche, sondern Klugheit.

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