Liebe Leserinnen und Leser,

wir wissen, dass wir mittendrin sind. In einer kulturellen Umwälzung, deren Ausmaß wir täglich spüren, ohne zu verstehen, was es wirklich bedeutet. Während ich meinen Thermomix anwerfe und ChatGPT nach einer Formulierung frage, dämmert mir: Beide versprechen mir Erleichterung. Beide nehmen mir Arbeit ab. Aber nur einer macht mich dabei tatsächlich besser.

In diesem Zusammenhang möchte ich mit euch eine Vorahnung dessen teilen, was als Licht am Horizont der Umwälzung gerade auf uns zurollt.

Der Thermomix als Diäthelfer oder: Wenn Effizienz schlank macht

Eine Pilotstudie hat kürzlich etwas Bemerkenswertes festgestellt: Menschen, die acht Wochen lang täglich mit dem Thermomix kochten, nahmen nicht nur ab. Sie entwickelten auch bessere Ernährungsgewohnheiten und hatten weniger Stress. Das Gerät zauberte nicht die Pfunde weg, aber es machte das Kochen so simpel, dass Menschen wieder selbst kochten statt zu bestellen.

Das ist der entscheidende Punkt: Der Thermomix vereinfacht den Prozess, ersetzt ihn aber nicht. Wer mit ihm kocht, entscheidet immer noch selbst über Zutaten, Portionen, Rezepte. Die Maschine führt aus, was der Mensch plant. Sie ist Werkzeug, kein Ersatz.

Ich selbst erlebe das jeden Tag. Der Thermomix steht in meiner Küche nicht, weil ich nicht kochen kann, sondern weil er mir hilft, besser zu kochen. Schneller, präziser, mit weniger Aufwand. Aber die Entscheidung, was in den Topf kommt, treffe immer noch ich.

ChatGPT als Denkbremse oder: Wenn Effizienz dumm macht

Jetzt kommt der bittere Teil. Das MIT Media Lab hat in Experimenten mit 54 Teilnehmenden gemessen, was in unseren Gehirnen passiert, wenn wir ChatGPT nutzen. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Die KI-Nutzer zeigten die geringste Gehirnaktivität aller Testgruppen.

Weniger Aufmerksamkeit. Weniger Gedächtnisbildung. Weniger kreative Anstrengung. Eine der Forscherinnen brachte es auf den Punkt: «Die Aufgabe wurde erledigt, aber das Gehirn hat nichts davon gespeichert.»

Die Gruppe, die ohne jegliche Hilfsmittel schrieb, war engagierter, zufriedener und erinnerte sich besser an ihre Texte. Das ist keine Überraschung, aber es ist ein Weckruf. Wir geben nicht nur Arbeit ab. Wir geben Denken ab.

Ich nehme mich davon nicht aus. Auch ich habe schon ChatGPT gefragt: «Schreib mir mal einen Text über…» Und dann den Text genommen, leicht überarbeitet und mich gefragt: Habe ich gerade etwas gelernt? Meistens nicht.

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Das Paradox der Bequemlichkeit

Beide Geräte stehen für zwei unterschiedliche Arten, wie Technik uns verändert. Der Thermomix spart Energie und steigert Aktivität. ChatGPT spart Aktivität und senkt Anstrengung.

Der Unterschied liegt nicht in der Technik selbst, sondern in der Art, wie wir sie nutzen. Ein Thermomix-Nutzer bleibt Koch. Ein ChatGPT-Nutzer kann aufhören, Autor zu sein.

Das klingt hart, aber es ist die Realität. Wer die KI bittet, einen kompletten Text zu schreiben, delegiert nicht nur Arbeit. Er delegiert Kreativität, Struktur, Sprache. Am Ende bleibt eine Hülle ohne Substanz. Ein Text, der niemandes Handschrift trägt.

Und genau hier liegt das Problem: Während der Thermomix meine Kochfähigkeiten verstärkt, könnte ChatGPT meine Denkfähigkeiten schwächen. Nicht weil die Technik schlecht ist, sondern weil ich sie falsch nutze.

#GreenPrompting: Nicht nur für die Umwelt

Ich habe in früheren Ausgaben über #GreenPrompting geschrieben, also die Kunst, KI-Anfragen so präzise und kurz wie möglich zu formulieren, um Rechenenergie zu sparen. Aber vielleicht geht es um mehr als Nachhaltigkeit. Vielleicht geht es auch um unser Gehirn.

Wer der KI klare, kurze Anweisungen gibt, bleibt im Denken aktiv. Wer ihr vage Aufträge erteilt nach dem Motto «Mach mal», schaltet ab. Das eine trainiert das Gehirn, das andere lähmt es.

Ein Beispiel: Statt ChatGPT zu bitten, mir einen kompletten Blogartikel zu schreiben, könnte ich fragen: «Gib mir drei Argumente für [Thema].» Dann überlege ich selbst, wie ich diese Argumente formuliere. Die KI liefert Impulse, keine fertigen Lösungen.

Das ist wie beim Thermomix: Ich nutze ihn für die schweren Teile, Rühren, Kneten, Zerkleinern. Aber die kreativen Entscheidungen, was ich damit mache, treffe ich selbst.

Die Kunst der bewussten Nutzung

Vielleicht ist das die eigentliche Lektion: Technik macht uns nicht automatisch klüger oder dümmer. Es kommt darauf an, wie wir sie einsetzen. Der Thermomix kann ein Werkzeug sein, das uns zu besseren Köchen macht. ChatGPT kann ein Werkzeug sein, das uns zu besseren Denkern macht. Oder es kann ein Ersatz sein, der uns die Arbeit abnimmt und uns dabei kleiner macht.

Ich persönlich habe beschlossen, ChatGPT anders zu nutzen. Nicht als Ghostwriter, sondern als Sparringspartner. Nicht als Ersatz fürs Denken, sondern als Verstärkung meines Denkens. Genau wie der Thermomix mein Kochen verstärkt, ohne es zu ersetzen.

Die Frage ist also nicht: Soll ich Technik nutzen? Die Frage ist: Wie nutze ich sie, damit ich am Ende mehr kann als vorher, nicht weniger?

Lesestoff: Wenn Wein das Denken anregt

Apropos bewusste Nutzung: Es gibt Dinge, die man nicht beschleunigen sollte. Wein gehört dazu. Der Salwey Grauburgunder Gutswein 2023 vom Kaiserstuhl ist so ein Wein. Birne, Quitte, reife Äpfel, dazu eine nussige Note, die sich Zeit lässt zu entfalten. Am Gaumen zeigt sich, was passiert, wenn man Prozesse nicht künstlich beschleunigt: präzise Frische trifft auf sanfte Cremigkeit, mineralische Würze vom Vulkangestein mischt sich mit animierender Säure.

Das Weingut Salwey arbeitet puristisch, reduziert auf das Wesentliche. Spontanvergärung mit natürlichen Hefen, Ausbau im Edelstahltank und teils im großen Holzfass. Kein Thermomix, keine KI. Nur Löss- und Vulkanverwitterungsböden, die dem Wein seine Mineralität geben. Zeit, Geduld und das Wissen, wann man der Natur ihren Lauf lassen sollte.

Ein Wein, der zu gegrilltem Fisch passt, zu Spargel, zu Pilzrisotto. Ein Wein für die Terrasse im Sommer oder als Begleiter zu feinen Speisen. Vor allem aber: ein Wein, der daran erinnert, dass manche Prozesse nicht effizienter werden sollten. Manchmal ist Langsamkeit die bessere Wahl.

Preis: etwa 12 Euro
Denkanstoß-Faktor: hoch
Empfehlung: Für alle, die nach diesem Newsletter das Gefühl haben, ihr Gehirn mal wieder selbst benutzen zu wollen


Fazit: Technik ist ein Spiegel unserer Haltung. Wer sie nutzt, um besser zu werden, wächst. Wer sie nutzt, um weniger zu tun, schrumpft. Die Wahl liegt bei uns.

Bis nächste Woche mit neuen Einsichten zwischen bewusster Nutzung und nachdenklicher Skepsis.

Euer #digitalpaddy

P.S.: Falls ihr nach dem Lesen dieses Newsletters Lust bekommen habt, mal wieder etwas ohne jegliche technische Hilfe zu machen, dann tut es. Euer Gehirn wird es euch danken. Und vielleicht merkt ihr dabei, dass ihr mehr könnt, als ihr dachtet.


Quellennachweis:

MIT Media Lab Studie zur KI-Nutzung:

  • Kosmyna, Nataliya et al. (2025). «Your Brain on ChatGPT: Accumulation of Cognitive Debt when Using an AI Assistant for Essay Writing Task.» Preprint auf arXiv (verfügbar über ResearchGate, arXiv, TIME)
  • «Does using ChatGPT change your brain activity? Study sparks debate» (Nature)
  • «Brain activity lower when using AI chatbots: MIT research» (The Register)
  • «Is AI rewiring our minds? Scientists probe cognitive cost of chatbots» (Washington Post)

Thermomix-Interventionsstudie:

  • Järnig G. (2024). «Impact of an Eight-Week Intervention Program With…»: Pilotstudie mit einem Übergewichtigen, tägliches Kochen mit dem Thermomix, gesundes Frühstück, Bewegung. Preprint (Preprints)
  • «Thermomix TM7 for Health & Weight-Loss…» (Lifewiththermomix)
  • «Is cooking with Thermomix healthy?»

Weitere Teile der Recherche und Erstellung dieses Newsletters wurden mit Unterstützung von ChatGPT und Claude durchgeführt.

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