Da ich ja nun schon fast einen Monat älter als 40 Jahre bin, ist die Zeit gekommen, erste autobiografische Rückblicke zu ziehen. Das ist im Hinblick auf die Branche, in der ich mich bewege, aus meiner Sicht vollkommen legitim, denn wer vor zehn Jahren in der Internetbranche eine Idee hatte, für den ist das ungefähr so lange her wie die Einführung des Farbfernsehens in der realen Welt.
Erste Schritte
Als ich meine ersten Gehversuche in der Welt des Internets machte, hieß es noch BTX – und bei meinem damaligen Arbeitgeber bekamen wir, die jungen Leute mit dem Internet, einen eigenen PC, der über ein sehr schönes und melodisch missklingendes Modem (14.4k) mit eben diesem Internet verbunden wurde. Als Provider diente erst AOL, später Rhein-Main.net – damals wurden noch Einwahl-CDs verteilt, ganz wie bei den großen Vorbildern. Die Verleger in der Frankenallee sahen, wie viele andere, im Zugangsgeschäft die Zukunft. Also bastelte man ein regionales AOL – rhein-main.net eben.
Reich werden im Netz!
Das Internet! Eine Goldgrube ohne Ende – so das anfängliche Gefühl. Schnell stellte sich heraus, dass für viele Ideen das Netz noch viel zu langsam war. Aber die Erotikbranche hatte bereits Wege gefunden, sich diese neuen Geschäftsfelder zu erschließen.
Wenn also die ganze Welt auf einmal reich werden konnte – so die einhellige Meinung im Kreis einiger mutiger junger Internetpioniere aus der Verlagsbranche –, dann könnten wir das auch. Wie so oft im Leben verging dann etwas Zeit, dafür wurden die Internetverbindungen schneller. Der papierbedruckenden Branche hatte ich inzwischen den Rücken gekehrt, als die Idee aufkam, eine eigene Webseite zu basteln und erotischen Content anzubieten. Begeistert von der Idee kauften ein Kumpel und ich tonnenweise HTML-, PHP- und MySQL-Bücher, reservierten Domains wie die Geistergestörten – darunter so Perlen wie moep.se (ich hoffe, der eine oder andere Leser kann die tiefgreifende und fast schon philosophische Idee hinter diesem Namen nachvollziehen).
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Das Pornoprojekt bei unserem Arbeitgeber
Glücklicherweise hatten wir auch gerade von unserem damaligen Arbeitgeber ein Projekt aufgedrückt bekommen, bei dem es genau um dieses Thema ging. Wir lernten also innerhalb kürzester Zeit einige sehr spannende Menschen aus der Welt der Pornoindustrie kennen. Die meisten davon sind echte Buchhaltertypen mit einem guten Riecher dafür, was gerade übel genug ist, um möglichst hohe Preise aufzurufen. Damals hörten wir zum ersten Mal Begriffe, die heute schon kurz nach dem Kindergarten zum Slang der Kids gehören – wir wackelten damals noch mit den Ohren und bekamen ab und zu sogar rote.
Wir bastelten also an einer Webseite aus diversen Fragmenten, setzten brav die FSK-18-Schranke und warteten auf die erste Million. Contenseitig wurden wir von einem Inhaltslieferanten (nacktes Fleisch und ruckelige Filmchen) mit regelmäßigen Updates auf einem eigens eingerichteten FTP-Server beliefert.
Nach drei Tagen stellten wir fest, dass durch die Updates auf dem FTP-Server unser Trafficlimit erreicht war – und wir erst mal in mehr Traffic (ja, das kostete damals noch etwas!) investieren mussten. Gleichzeitig warteten wir auf Besucher. Und wir warteten …
An manchen Tagen kamen wir uns schon fast vor wie ein Wirt in seiner leeren Kneipe, der seinen eigenen Sprit konsumiert. Wenn wir abends vom Job heimkamen, starrten wir auf die Abrufstatistiken, testeten alle Zugänge und überzeugten uns selbst vom Premiumcontent auf der Webseite. Offenbar reichte eine sensationelle Domain wie moep.se nicht aus, um Kunden anzuziehen. Wir warteten also weiter – auf die Crawler von Google und Yahoo (ask.com gab es damals auch noch). Wir lasen Programmierhandbücher und bastelten parallel an Inhalten, die etwas weniger anrüchig sein sollten.
Three months later
Nach drei Monaten mussten wir feststellen, dass der Einstieg ins Erotikbusiness nicht so richtig klappen wollte – was ungefähr zeitlich mit der Tatsache zusammenfiel, dass unser Arbeitgeber eine neue strategische Richtung einschlug. Wir hatten also ohnehin erst einmal andere Probleme. Mein Kollege blieb der Webseitenwelt treu und schlägt sich seitdem recht erfolgreich als Betreiber kommerzieller Seiten durch. Ich hingegen konnte meine erlernten Programmierkenntnisse immerhin noch für meine Webseite meiersworld einsetzen (bis WordPress die Welt noch einfacher machte) – und auch manchmal in der einen oder anderen Diskussion mit Kollegen aus der Kreativwirtschaft einen unerwarteten Treffer landen. Denn wer denkt schon, dass ein Schlipsträger weiß, wie eine MySQL-Datenbank mit PHP verbunden wird und was man dafür braucht?
Was von moep.se übrig blieb
So gesehen hat der kleine Ausflug in die Welt der blanken Busen und wackeligen Filme wenigstens etwas gebracht: Erfahrung in Sachen HTML & Co. – und jede Menge Small-Talk-Themen für die Herrenrunde nach 22:45 Uhr.
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