Wenn die Vortragsreise zur Flucht wird: Was Thomas Mann 1933 und Michel Friedman 2025 über den Zustand der Demokratie verraten “Ich kann doch nicht mehr nach Berlin.” Als Michel Friedman, einer der prominentesten jüdischen Intellektuellen Deutschlands, diesen Satz ausspricht, ist er kein politischer Kommentar. Es ist eine existenzielle Feststellung. Im Podcast mit Matze Hielscher beschreibt Friedman eine “Parallelspur”, die er seit einigen Jahren empfindet: Die Frage, ob er in den nächsten 5 bis 10 Jahren garantieren könne, dass Deutschland ein demokratisches Land bleibt. Ob er – sollte die “Partei des Hasses” in die Exekutive kommen – ins Exil gehen müsste. Exil. Ein Wort aus den Geschichtsbüchern. Ein Wort aus einer anderen Zeit. Oder? Die Vortragsreise, die niemals endete Am 11. Februar 1933 – es ist der 28. Hochzeitstag von Thomas und Katia Mann – zieht der Schriftsteller in seiner Münchner Villa noch einmal die Pendeluhr auf. Es ist ein gewöhnlicher Nachmittag. Die Familie sitzt zum letzten Mal gemeinsam am Mittagstisch, auch wenn das in diesem Moment niemand ahnt. Adolf Hitler ist seit zwölf Tagen Reichskanzler, aber was bedeutet das schon? Thomas Mann ist Nobelpreisträger, weltberühmt, ein Monument der deutschen Kultur. Was soll ihm passieren? Er bricht zu einer Vortragsreise auf. Amsterdam, Brüssel, Paris. Ein Vortrag über Richard Wagner. Danach ein dreiwöchiger Erholungsurlaub in Arosa. Routine. Nichts Besonderes. Florian Illies hat in seinem neuen Buch “Wenn die Sonne untergeht” diese Monate rekonstruiert – die Zeit zwischen Februar und September [...]
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