Wie brutal und ehrlich darf ein Buch sein?
„Wohltätigkeit ist schlecht für ihr Selbstwertgefühl. Deshalb ist die Reintegration an Bedingungen geknüpft. Schon mal von den Big Six gehört?“
Gaea Schoeters hat mit Trophäe (Roman Zsolnay) einen Roman geschrieben, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in Beschlag genommen hat. Ein reicher Jäger aus den USA mit dem Namen Hunter White möchte seine Trophäenliste vervollständigen und zahlt für die Lizenz zum Töten eine halbe Million Dollar. Ein Spitzmaulnashorn darf es sein, damit auch seine Frau etwas mitbekommt von diesem Kontinent, der für den weißen Mann nicht die Lebensumgebung der Menschen ist, die auf diesem Kontinent leben, sondern sein Jagdgebiet, sein Vergnügungspark.
Es ist heiß, die Flinte großmäulig wie ihr Besitzer, die Munition durchschlagend und ein echter Mannstopper, die Lodge luxuriös und Hunter White ein großer Hemingway-Fan, kurzum ein trainierter wohlhabender weißer Mann in einem Land voller Gegensätze auf der Suche nach dem nächsten Kick.
Wer bereits einmal in Afrika gewesen ist und selbst die Big Five* mit der Kamera gejagt hat, der kann ein wenig spüren, wie die Hitze auf der Haut sticht und in der Nase ein einmaliger Geruch aus Wildnis und Überlebenskampf liegt. Brüllende Löwen und lachende Hyänen sind die musikalische Untermalung einer Safari.
Die Jagd mit Lizenz ist Artenschutz. Wilderei hingegen ein Verbrechen. In Trophäe zeichnet die Autorin ein erschreckendes Bild der pragmatischen Welt Afrikas. Ausgebeutet über Jahrzehnte von den weißen Männern und Frauen hat sich eine Welt entwickelt, in der es um das Überleben geht. Nicht immer um das des Individuums, sondern um den Erhalt der Art. Und ist der Mensch nicht auch eine Art? Der Stamm Teil einer Gattung. Worin liegt also der Unterschied im Artenschutz zwischen Mensch und Tier? Beide in Reservate eingepfercht und von der natürlichen Art zu leben entfremdet. Der Löwe, der in der einen Schlucht legal geschossen werden darf und in der nächsten illegal zur Strecke gebracht wird. Jagd, wenn sie kontrolliert und sauber stattfindet, ist Artenschutz. Diese Logik ist manchmal schwer zu verstehen.
In Trophäe kämpft man oft mit dem Bild von Menschlichkeit, das einem unsere erste Welt mitgibt und das Schoeters auf den Kopf der dritten Welt stellt. Moderne Waffen und altes Skorpiongift, Sneaker und Speere, Klicklaute und Wildkameras vereinen sich zu einer Melange aus Widersprüchen, die den Leser öfter schlucken lassen.
„Was glauben Sie, was mit den Männern passiert, die ihr Nashorn umgelegt haben? Ganz egal, wer sie fasst, die Polizei oder die Ranger, die Typen sind Geschichte. Die Armee erschießt jedes Jahr mehr Wilderer, um Ihr Jagdwild zu beschützen, als die Wilderer Nashörner abknallen. Auftrag der Regierung. Zum Schutz der Wirtschaft. Die Menschenjagd ist ein Nebenprodukt der Trophäenjagd. Und wer bezahlt das? Sie mit jedem Dollar, den Sie hier für Artenschutz ausgeben.“
Plötzlich steht dieses Wort im Raum: „Menschenjagd“ und von diesem Moment an ist für den Leser und für Hunter White nichts mehr wie es vorher war. Wer die Jagd auf Löwen und Büffel abscheulich findet, der lernt eine neue Stufe kennen. Ein Spiegel dessen, was wir abstoßend finden und für manche Menschen zum Überleben gehört. Ein Opfer bringen, damit der Stamm, die Art überleben kann.
Ehrlich, brutal und fantastisch geschrieben werden wir als Leser Zeuge eines unvorstellbaren Akts. Die Jagd nach der sechsten Trophäe – der unglaublichsten Trophäe. Menschenjagd.
Wir gehen in diesem Buch auf eine Safari und werden Zeuge einer unglaublichen Wendung und wissen am Ende, wer das brutalste Raubtier auf diesem Planeten ist.
Dieses Buch ist das absolute Must-Read des Jahres.
*Löwe (Panthera leo): Der König der Tiere, bekannt für seine Stärke und majestätische Erscheinung.
Afrikanischer Elefant (Loxodonta africana): Das größte Landtier der Welt, bekannt für seine Intelligenz und sozialen Strukturen.
Büffel (Syncerus caffer): Auch bekannt als Kaffernbüffel, bekannt für seine aggressive Natur und Stärke.
Leopard (Panthera pardus): Ein geschickter und heimlicher Jäger, bekannt für seine Fähigkeit, Bäume zu erklimmen und Beute zu verstecken.
Nashorn (Rhinocerotidae): Sowohl das Spitzmaulnashorn als auch das Breitmaulnashorn fallen unter diese Kategorie, bekannt für ihre beeindruckenden Hörner und massiven Körper.
Quelle Big Five: https://app.getmaia.ai/