September 10, 2024

Wir sind an unserer schlechten Bahn selber schuld!

Neu bei meiersworld.de. Wenn du keine Lust oder Zeit hast einen Text zu lesen, dann kannst du alle Texte mit dem Mikrofon als Audiodatein anhören. Der Vorteil ist, dass du dann auch noch Zeit hast dich auf die Strasse oder die Landschaft zu konzentrieren und trotzdem keinen Beitrag von mir verpasst. Dieser Text ist 4 Minuten lang und du kannst die Audiodatei hier abrufen.

Bahnbashing hat es in den letzten Wochen und Monaten bis in die Spitzen der Politik geschafft. Auch europaweit konnte unsere Deutsche Bahn ihren schlechten Ruf zur Schau stellen und auf allen möglichen Kanälen wird die Bahn als katastrophales Unternehmen hingestellt. In großen Teilen ist die Kritik richtig. Mein Großvater und mein Vater sind Eisenbahner gewesen. Meine Kindheit und Jugend sind geprägt von Urlaubsreisen mit der Bahn. In der Schulzeit habe ich es bis Moskau und St. Petersburg mit dem Zug geschafft. An eine Verspätung auf dieser Zugreise durch die weiten Russlands kann ich mich nicht aktiv erinnern. Auch sonst lief es recht pünktlich. Abgesehen von sechs Stunden Verspätung bei einer Reise nach Zadar (damaliges Jugoslawien) verliefen unsere Reisen staufrei und verbunden mit vielen entspannten Momenten und Omas Schnitzelchen.

In den meisten Ländern Europas klappt das heute mit der Bahn ganz gut, aber auch oft nur dort, wo man es sieht. Abgesehen von der Schweiz, da läuft offenbar immer alles bestens. In Frankreich und Italien ist der Hochgeschwindigkeitsverkehr optimal, teilweise günstiger und auch pünktlich. Im Nahverkehr leiden die Fahrgäste aber wohl ähnlich, wie es in Deutschland üblich ist.

Es soll aber gar nicht um die anderen Eisenbahnunternehmen gehen, sondern um die Deutsche Bahn AG.

Wir leiden unter der Unpünktlichkeit, den hohen Preisen, den defekten Kaffeeautomaten (die wohl auch was mit Teewasser zu tun haben) und kommen dennoch in den meisten Fällen sitzend, halbwegs pünktlich und meist auch entspannter am Ziel an, als dies nach vier Stunden auf einer Autobahn der Fall wäre.

Dennoch sind wir zutiefst unglücklich. Weil die Schweizer unsere Züge nicht mehr reinlassen und gleichzeitig ihre Infrastrukturprojekte in time und in money umsetzen. Die Österreicher haben die Herrschaft über die Nacht übernommen und sprengen bereits Löcher in Berge, wo wir noch mit Spürhunden durch Wälder laufen und nach seltenen Arten suchen. Wir sind nicht nur unpünktlich auf der Schiene, wir verzögern den gesamten europäischen Wandel von der Straße auf die Schiene, weil wir zu langsam sind. Zu viele Regeln, die bei der Einhaltung von Zeitvorgaben für Rettungswagen Sinn machen, aber bei der Umsetzung von Schieneninfrastrukturprojekten nur Bürokratiefetischisten feuchte Träume verschaffen. Der Rest steht schweißgebadet am falschen Gleis und harrt der Züge, die nicht kommen.

Zur Ausgangsfrage zurück: Sind wir nicht selber schuld an unserem Bahndilemma?

Sind wir. Als Nation der Autofahrer und Autobauer (noch) wurde jeder Meter Autobahn und Umgehungsstraße gefeiert wie Goldmedaillen bei Olympia. Abgehängte Bahnnebenstrecken und Buslinien wurden ausgedünnt, bis auch die letzte Oma in ihrem Eifeldorf festsaß und der Rollator zum einzigen Fortbewegungsmittel innerhalb des sterbenden Dörfchens wurde.

Wir wollten Individualverkehr um jeden Preis. Verstopfte Straßen, marode Schienen und verpestete Luft sind unsere Belohnung für die nicht oder nur verzögert stattfindende Verkehrswende.

Bahnstrecken werden so lange geplant, bis jedes Kaff an der Strecke seine Meinung kundtun konnte. Jeder Kleingärtner sein Individualrecht eingeklagt und somit jede Möglichkeit ausgeschöpft, sich gegen die Zukunft zu stellen. Die darf in Deutschland gerne kommen, aber nicht vor der eigenen Haustür. In Sachen Stromnetz verhält es sich ebenso. Nur bei Straßen geraten wir in Ekstasen.

Wer heute über hohe Preise klagt, den ausgedünnten Wochenendfahrplan des ÖPNV als Begründung für die Nutzung des PKW heranführt und sich über kalten Kaffee im Bordbistro tiktoisiert, der wollte es oft nicht anders.

Wir brauchen die Bahn, nur wollen wir den Veränderungsschmerz der sich dabei aufdrängt nicht haben und unsere Politik hat ihn auch lange genug mit schönen Reden betäubt, aber nun ist er eben nicht mehr verdrängbar, denn er ist unüberhörbar.

Ohne Schiene und die dazugehörige Industrie werden wir uns selbst von der Verkehrszukunft abhängen, denn das Auto ist keine Zukunftsindustrie mehr in Deutschland. Wir haben auf das falsche Pferd gesetzt, aber auf dem können wir demnächst durch unser deindustrialisiertes Deutschland reiten.

Bild: Adobe KI Firefly

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