Mai 22, 2024

Entre Nous – Geschichten aus der Weinbar – Der Fliege Tod

„Im Sekt ertrinken ist so tragisch nicht.“

Alte Bartenderweisheit

Maxi flog fröhlich umher. Draußen wurden ihre Freundinnen von einem dieser immer öfter auftretenden schweren Stürme hin und her geworfen, ihrer Flügel beraubt und den Vögeln in die Mäuler geweht.

Wie gut ging es ihr hier in dieser kleinen Kneipe? Sie flog über die Gäste hinweg, die sie gar nicht bemerkten. Sie landete auf den köstlichen Resten auf den Tellern, bis einer der Kellner diese abräumte und Maxi vertrieb.

Ab und an wollte einer der Gäste sie mit einer der Servietten erschlagen, aber gestärkt von der warmen Luft, den Krümeln und sonstigen erbaulichen Dingen, die sie in ihr kleines Fliegenmaul stopfen konnte, hatten sich ihre Sinne geschärft, und mit ihren 8000 kleinen Äuglein nahm sie die Bedrohung schnell und sicher wahr.

Der Sturm legte sich, aber Maxi flog weiter. Verbrachte die Nächte zwischen den Büchern und Pflanzen. Summte um die Putzleute herum, wenn sie am frühen Morgen müde von der kurzen Nacht die Böden für den nächsten Tag reinigten, und sah ihnen dabei zu, wenn sie mit ihren Händen nach ihr schlugen und sie zielsicher verpassten. Sie flog auf sie zu, sah ihnen ins Auge und schlug einen schnellen Haken, wenn sich einer der langsamen Hände ihr entgegenstreckte.

Dann flog sie in ihre bevorzugte Ecke an der Garderobe und kuschelte sich in die warmen Winterjacken, die bald schon von den glatten Frühlings-Outdoor-Jacken abgelöst würden und an denen sich kein bisschen Dreck festsetzte und sie auch schlecht ihren Dreck hinterlassen konnte. Aber hier in den entweder muffig nach sich abschließenden Leben riechenden Mänteln oder den flauschigen Pelzimitaten der jungen Frauen, die wohlig nach den Tagen voller Lebensfreude rochen, da konnte sie sich da konnte sie sich vollkommen chillig auf den nächsten Abflug vorbereiten.

Wenn sie am Abend die Augen schloss und die Flügel zum Gebet rieb, dann dankte sie dem Lord of the Flies für diesen Windstoß der sie in diese Weinbar getrieben hatte.

Jetzt hob sie ab und folgte dem köstlichen Geruch des Nektars, der einem Sektglas entschwob und sich in ihrer, weniger feinen als die der Menschen, Nase festgesetzt hatte, und steuerte zielsicher ihren Feierabenddrink an.

Sie setze zur Landung an, ließ sich am Rande des mit feuerrotem Lippenstift benetzen Glases herunter und übersah einen der aus Menschensicht kleinen Risse im Glas. Blieb an ihm hängen, verlor das Gleichgewicht und landete mit den Flügeln im kostbaren Nass der Jahrgangschampagners. Sie nahm den traumhaften Geruch in sich auf, und dann schwappte der klebrige Saft über ihre Flügel. Sie kämpfte, aber nun hatte die schöne Zeit ein Ende. Maxi versuchte noch, einen Henkersschluck über ihre Beinchen in ihr Maul tropfen zu lassen, aber selbst das sollte ihr nicht mehr vergönnt sein. Dennoch besser als erschlagen und zerquetscht zu werden. Dann zuckte sie ein letztes Mal mit dem linken Flügel und verabschiedete sich von ihrem Fliegendasein und hoffte auf gutes Karma und eine Wiedergeburt als Maus. Von denen gab es hier auch einige und selbst die Menschen die hier arbeiteten redeten immer zu über die Mäuse.

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